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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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sechsundzwanzig Peers sprechen ihn schuldig, und der Herzog verliest das Urteil:
    »Ihr sollt nun wieder in den Tower zurückkehren, aus dem Ihr gekommen, und von besagtem Tower durch die Stadt London geschleift werden, wo man Euch hängen und bei lebendigem Leibe wieder abschneiden soll; sodann soll man Euch die Gliedmaßen abhacken und die Eingeweide aus dem Körper reißen und vor Euren Augen verbrennen; schließlich aber soll Euch der Kopf abgeschlagen und der Körper in vier Teile geteilt werden, und Euer Kopf und Euer Körper sollen an einem Orte aufgestellt werden, den der König bezeichnen wird.«

    Eine grausame Stille legte sich nach den Prozessen über London; es war, als halte die Stadt bis zu den Hinrichtungen den Atem an. Wenn man am Tower vorbeikam, hörte man Gehämmer, und man wusste, dass das Schafott aufgebaut wurde; man hatte es aus dem Speicher geholt, wo es seit Mores Hinrichtung im letzten Sommer aufbewahrt worden war.
    Man erzählte sich, dass der König diese Frühlingsnächte auf seiner Barke verbringe, wo er Jane den Hof mache, und dass man den Klang von Musik und das Leuchten von Laternen auf dem Wasser bemerken könne. Man erzählte auch, er lasse sich im Schatten des Tower hin- und herrudern. Man erzählte eine Menge Unfug, aber es war eine packende Geschichte, und sie zeichnete ein Bild des Königs als Satyr. Die Wahrheit ist, dass er nur einmal mit seiner Barke fuhr, und auch da nicht »im Schatten des Tower«, sondern zum Hause Nicholas Carews am Ufer der Themse, um dort Jane zu besuchen.

LXXIV
    Heinrich VIII.:
    S o war es vorüber. Der Prozess war vorüber, und die Hexe war ihrem gerechten Urteil nicht entronnen. Crum berichtete mir alles – sprach auch, betrübt, von den persönlichen Angriffen gegen mich. Mir machte es nichts aus; meine einzige Befürchtung war, dass es Anne irgendwie noch jetzt gelingen möchte, zu entkommen.
    Verbrannt oder enthauptet zu werden, wie es dem König beliebte – ich erinnerte mich an ihr Grauen vor dem Feuer. Wäre es nicht eine Rache nach meinem »Belieben« gewesen, ihr dies anzutun? Sie diesem Tod ins Auge sehen zu lassen, gefesselt und schreiend, ihr Fleisch braten, das Blut in ihren Adern kochen zu lassen? Ich roch es schon, das verkohlte Fleisch, den Gestank ihrer lodernden Haare …
    Aber ich konnte es nicht. Ich konnte es nicht tun, denn ich wusste, dass sie in die Hölle fahren würde, sobald die Seele ihren Körper verließ – und dort würde es Feuer im Überfluss geben, ein ewiges Feuer, das brennt, aber nicht verzehrt. Ich wollte den Teufel nicht nachäffen oder verspotten, indem ich ihr einen irdischen Abglanz davon verschaffte. Mochte Anne diese Welt ohne körperliche Pein verlassen.
    Aber eines würde ich ihr noch abnehmen, etwas, das nur sie geben konnte: die Erklärung, das Geständnis, dass unsere Ehe von Anfang an eine Täuschung gewesen. Ich wollte Cranmer zu ihr schicken, um ihr dieses Geständnis in der Beichte abzunehmen, wollte ihr das Versprechen vorhalten, ihr das Feuer zu ersparen, wenn sie es nur zugäbe, wenn sie zugäbe, dass sie die Ehe mit ihrer Hexenkunst zu Stande gebracht habe, und ihr nun abschwörte. Denn ich wollte vor ihrem Tod von ihr frei sein. Sie sollte nicht als mein Weib ihren letzten Atemzug verhauchen. Ich wollte nicht mit ihr verbunden sein!
    »Geht zu ihr«, beauftragte ich Cranmer, »in ihre Gemächer im Tower, und nehmt ihr in dieser Sache den Eid ab.« Ich bemerkte den fragenden Ausdruck in seinem Gesicht. »Ja, sie hält dort immer noch Hof – auf meinen ausdrücklichen Befehl. Sie hat ihre königlichen Gemächer, ihre Juwelen und ihre Kleider.« Ich dachte an More in seiner bücherlosen Zelle. »Dafür hat sie ihre Seele verkauft, oder nicht? Dann soll sie es auch bis zu ihrem Ende genießen.«
    Sie würde alles bis zum Ende behalten (außer ihrem Titel als meine Gemahlin), und plötzlich hatte ich auch eine passende Art vor Augen, wie sie aus diesem Leben scheiden könnte: Ich würde einen französischen Schwerthenker kommen lassen, der die Hinrichtung geschickt und stilvoll ausführen sollte. Die »französische Art« hatte sie immer geliebt; zweifellos wäre eine gute englische Axt für ihr empfindsames Wesen viel zu grob. Ich schrieb einen Befehl an den Gouverneur von Calais. Was für eine Überraschung, die ich ihr da noch zukommen ließ im allerletzten Augenblick …
    Ich fing an zu lachen – erst leise, dann hysterisch.
    Will:
    Wir hörten kreischendes Gelächter aus dem Zimmer des

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