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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Königs, aber wir wagten nicht einzutreten. Es klang, als sei dort ein Wahnsinniger, und wir befürchteten, ein Eindringling könne sich Zutritt verschafft haben. Aus diesem Grund öffnete ein Wächter schließlich doch die Tür und lugte hinein.
    Es war niemand da außer König Heinrich; er saß an seinem Schreibtisch und war rot im Gesicht, als wolle ihn gleich der Schlag treffen.
    Ich näherte mich – ich war der Einzige, der sich getraute – und hielt mich bereit, einen Arzt herbeizurufen. Er hatte einen Anfall erlitten, dessen war ich sicher.
    »Ruhig, mein guter Lord, es kommt gleich Hilfe«, sagte ich, so begütigend ich es nur vermochte.
    »Hilfe?«, wiederholte er in ruhigem Ton. Die Röte schwand aus seinem Antlitz. »Nein, es braucht keine Hilfe. Es ist getan, es ist getan.« Er wies auf einen Brief, der versandbereit vor ihm lag. »Einen hübschen französischen Tod«, sagte er. »Der Tod sollte schließlich zum Leben passen, nicht wahr? Nur können wir selten dafür sorgen, dass es so ist. Nun, ich bin so frei.«
    Hatte die Anspannung, der Schmerz seinen Verstand überwältigt? »Ja, Euer Gnaden«, sagte ich sanft. »Der Lord Geheimsiegelbewahrer wird sich um diese Sendungen kümmern. Kommt jetzt. Ihr habt Euch überarbeitet.«
    Er wollte aufstehen, doch dann schüttelte er den Kopf. »Eines noch. Ich muss auch den anderen einen leichten Tod gewähren. Wandelt das Urteil in eine simple Enthauptung. So – das wird auch genügen.« Er fing an, Befehle auf ein Pergament zu kritzeln. »Aber sie müssen sich schon mit einem einheimischen Scharfrichter und einer gewöhnlichen Axt begnügen.«
    Am Morgen des siebzehnten Mai schaute Anne aus ihrem Fenster zu, wie ihre fünf Liebhaber und Mitverschwörer zu dem Hügel jenseits des Wassergrabens geführt wurden, wo sie das Schafott besteigen mussten. Es war ein schönes hohes Schafott, sodass alle Zuschauer (und deren Menge war gewaltig) einen freien Blick hatten.
    Sir William Brereton war der Erste, der auf der Plattform stand. Er winselte wie ein Feigling und zitterte am ganzen Leibe.
    »Ich habe es verdient, zu sterben, und wären es tausend Tode«, rief er. Als aber der Scharfrichter ihm durch eine Gebärde bedeutete, er möge den Kopf auf den Block legen, erhob er Einspruch. »Aus welchem Grunde indessen, das will ich nicht beurteilen – doch urteilt Ihr, so gebt Euer Bestes.« Und um die Sache weiter hinauszuzögern, wiederholte er sich noch drei- oder viermal.
    Endlich aber versagte ihm die Stimme, und man zwang ihn, den Kopf zu beugen. Der Scharfrichter hob seine große Axt und hackte Breretons Hals glatt durch. Der Kopf rollte ins Stroh, und der Henker hob ihn auf und hielt ihn in die Höhe, wie es der Brauch war.
    Es dauerte ein paar Augenblicke, den Körper und den Kopf fortzuschaffen, frisches Stroh aufzuschütten und Block und Axt abzuwischen. Der Tote wurde an der anderen Seite des Schafotts über eine Treppe hinuntergetragen.
    Als Nächster kam Henry Norris. Er sagte wenig, aber was er sagte, war schmeichelhaft für den König.
    »Ich glaube wohl, kein Gentleman am Hofe schuldet dem König mehr als ich und war dafür weniger dankbar und rücksichtsvoll. Ich bete zu Gott, er möge meiner Seele gnädig sein.« Sodann legte er entgegenkommend das Haupt auf den Block. Der Henker schlug zu, und es war vorüber, ehe man tief Luft holen konnte.
    Sir Francis Weston, der hübsche Junge, dessen Frau und Mutter einhunderttausend Kronen als Lösegeld zur Rettung seines Lebens geboten hatten, stand mit frischem Antlitz auf dem Schafott, und der blaue Maihimmel hätte nicht klarer sein können als seine Augen.
    »Ich dachte doch, zwanzig oder dreißig Jahre in Frevel zu leben und dann Buße zu tun. Dass es so weit kommt, dachte ich nicht«, erklärte er in dem Bemühen, witzig und modisch leichten Herzens zu erscheinen bis zum Ende. Aber als der Scharfrichter den abgeschlagenen Kopf in die Höhe hielt, da waren die Augen nicht mehr lieblich blau, sondern glasig grau.
    Am Himmel sammelten sich schwarze Umrisse. Die Bussarde hatten das Blut gewittert und gesehen, wie bewegliche Gestalten jäh erstarrten.
    Mark Smeaton stand stolz auf dem Schafott. »Ihr Herren, ich bitte Euch, betet alle für mich – denn ich habe den Tod verdient.« Der liebeskranke Lautenspieler stürzte sich eifrig auf den Block, als fürchte er, man könne noch widersprechen oder ihm gar den Tod verwehren.
    Der letzte war Lord Rochford, George Boleyn. Es war unvermeidlich, dass er den

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