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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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nichts. Als das Urteil gefordert wurde, sprach die Mehrheit der Peers sie schuldig. Dann erhob sich ihr erhabener Onkel Norfolk und verkündete das Urteil:
    »Schuldig des Hochverrats, des Ehebruchs und des Inzests. Ihr habt den Tod verdient, und Euer Urteil lautet so: Brennen sollt Ihr hier auf dem Rasen im Tower von London, oder es soll Euch der Kopf abgeschlagen werden, wie es dem König beliebt und demnächst wird bekannt gegeben.«
    Tiefe Stille – dann Unruhe unter den Peers. Henry Percy ist zusammengebrochen. Jemand trägt den schlaffen Körper auf seiner Schulter zur Halle hinaus. Anne sieht ihm nach, und etwas in ihrem Antlitz verändert sich, welkt.
    Jetzt spricht sie, doch ohne Feuer.
    »O Gott, Du weißt, ob ich diesen Tod verdient habe.« Sie schweigt für einen Augenblick. »Ihr Lords, ich will nicht sagen, dass Euer Urteil ungerecht sei, noch maße ich mir an, dass meine Worte gegen Eure Überzeugung Bestand haben können. Ich will gern glauben, dass Ihr hinreichende Gründe habt, zu tun, was Ihr getan habt, aber es müssen dann andere sein als die, welche Ihr im Gericht vorgetragen, denn ich bin unschuldig all der Vergehen, die Ihr mir zur Last legt. Ich war dem König immer ein getreues Weib, wiewohl ich nicht behaupte, dass ich immer die Demut gezeigt hätte, die seine Güte gegen mich und die Ehre, zu der er mich erhoben, verdienten.
    Ich gestehe, dass ich eifersüchtige und argwöhnische Gedanken gegen ihn hegte und nicht verschwiegen und klug genug war, sie allzeit zu verbergen. Aber Gott weiß und ist mein Zeuge, dass ich niemals auf irgendeine andere Weise gegen ihn gesündigt habe.
    Denkt nicht, ich sage dies in der Hoffnung, mein Leben zu verlängern. Gott hat mich gelehrt, zu sterben, und er wird meinen Glauben stärken.
    Denkt nicht, mein Sinn sei so verwirrt, dass ich Euch die Ehre meiner Keuschheit in höchster Not nicht noch einmal ans Herz legte, nachdem ich sie mein Leben lang bewahrt, so gut wie jede andere Königin auch. Ich weiß, dass diese letzten Worte mir nicht mehr helfen werden, aber sie sind eine Rechtfertigung meiner Keuschheit und meiner Ehre.
    Was meinen Bruder und jene anderen zu Unrecht Verurteilten angeht, so würde ich bereitwillig viele Tode sterben, um sie zu erretten; da ich aber sehe, dass es dem König so gefällt, will ich sie gern in den Tod begleiten, denn ich bin sicher, ich werde in Frieden mit ihnen leben ohne Ende.
    Ich bitte Euch, ihr guten Leute, betet für mich.«
    Sie steht müde auf, und Kingston führt sie hinaus und zurück in ihr Gefängnis.
    Ihr Onkel weint unverhohlen. Augenblicke vergehen, ehe er seine Beherrschung wiederfindet und dem letzten angeklagten Gefangenen gegenübertreten kann: George Boleyn, Lord Rochford.
    Die Anklage wird verlesen: Inzest und Ehebruch mit seiner Schwester, der Königin. Er leugnet. Verschwörung zur Ermordung des Königs. Er leugnet. Behauptung der Vaterschaft an der Prinzessin Elisabeth.
    Daraufhin grinst er verächtlich, schweigt, hebt spöttisch eine Augenbraue.
    Ein letzter Vorwurf wird den Peers schriftlich vorgelegt und dann Lord Rochford gezeigt; es ist verboten, diesen Vorwurf laut vor den Leuten auszusprechen. Die Kenntnis davon stammt von Rochfords eigener Gemahlin Jane.
    »Ah ja«, sagt George Boleyn laut und liest das Papier Wort für Wort vor. »›Meine Schwester, Königin Anne, hat mir erzählt, dass der König impotent ist. Er hat weder Kraft noch Tugend in seinem männlichen Gliede.‹« Er lacht schrill. Cromwell protestiert, schimpft wie ein wütender Eichelhäher. Boleyn lächelt und erklärt: »Aber ich will kein Misstrauen schaffen, welches womöglich die Nachkommenschaft, die der König aus einer neuen Ehe erhält, mit Vorurteilen belegen würde.«
    Mit einem einzigen Satz ist der König angeklagt. Seine nächste Ehe ist zur Sprache gebracht worden. Stimmt es, dass der König bereits eine Nachfolgerin erwählt hat? Könnte es sein, dass all dies nur in die Wege geleitet wurde, um eine neuerliche Vermählung möglich zu machen?
    Aber Cromwell hat einen noch höheren Trumpf: Eine weitere Aussage von Jane Boleyn, Lady Rochford. Sie schwört, es bestehe eine inzestuöse Beziehung zwischen ihrem Gemahl und seiner Schwester, der Königin. Ihr Gewissen nötige sie, dieses »verfluchte Geheimnis«, bis jetzt nur ihr allein bekannt, öffentlich zu enthüllen.
    Sogleich ist der Kläger von seinem eigenen Weibe in Misskredit gebracht und vor aller Welt entlarvt in seiner ganzen Verkommenheit.
    Die

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