Ich, Heinrich VIII.
Franz! Gibt es einen klareren Beweis dafür, dass ich nicht bei Sinnen war, als den Umstand, dass ich auf ihn verfiel?) Ich tat ihm Edwards Geburt kund und fügte hinzu: »Dessen ungeachtet hat die göttliche Vorsehung meine Freude mit Bitterkeit gemischt, indem die, welche mir mein Glück brachte, von mir geschieden.«
Ich verfasste eine Grabschrift für Jane. Ich entwarf eine Grabplatte und ernannte Maria zur Hauptleidtragenden. Ich ließ meinen Schneider kommen und mir Trauerkleider anmessen; ich bestellte Mäntel und Wämse und Hosen und Schuhe, alles in Schwarz. Als er andeutete, dass die Menge vielleicht übertrieben groß sei, blieb ich beharrlich dabei, dass er sich irre. Ich befahl Cromwell, alles, was sich im Schatzhause an schwarzem Onyx finden ließe, zusammenzutragen und zu mir zu bringen. Ich schritt auf und ab, stolzierte hin und her, befragte Bücher, las in der Schrift.
Dann brach ich zusammen, und wieder lag ich im Bett.
An all dies erinnere ich mich wie an einen Wachtraum. Wann immer ich aufhörte, mich zu bewegen, überfiel mich lähmende Trauer.
Langsam klärte sich mein Kopf. Dann marterten mich immer wiederkehrende Gedanken und Obsessionen, die schließlich in sich dämonisch wurden. Sie drehten sich um sich selbst und kamen zurück, wieder und wieder, als wollten sie sich wie Nägel in meinen Kopf bohren. Um mich ihrer zu erwehren, begann ich sie niederzuschreiben, in der Hoffnung, dass sie dann zurückweichen würden. Vielleicht würde der Akt des Aufzeichnens sie versöhnen, sodass sie mich in Frieden ließen.
Ich habe diese Papiere all die Jahre aufbewahrt. Ich weiß nicht, was darin steht, und mir liegt nichts daran, sie noch einmal zu lesen. Die Niederschrift diente mir als Exorzismus. Ich füge sie hier an, weil ich keinen anderen geeigneten Ort für sie weiß.
Wenn der Schmerz nur in meinem Kopf ist, woher kommt dann die körperliche Pein? In meiner Brust ist es eng, als pressten mich mehrere Männer mit starken Armen zusammen und drückten mir den Atem ab. Mir ist, als könnte ich nicht atmen, könnte meine Brust nicht dehnen. Meine Muskeln gehorchen mir nicht. Oder sie versuchen es und sind zu schwach. Ich ersticke. Da ist ein Würgen in meiner Kehle, etwas, das sich aus eigenem Antrieb zusammenzieht, von allein schmerzt. Wenn ich weine, verschwindet es. Aber nach wenigen Augenblicken ist es wieder da. Wie ein Bärenführer hält es mich an kurzer Kette.
Ich habe Angst, bestimmte Räume zu betreten, an bestimmten Dingen vorüberzugehen, die wir gemeinsam betrachtet haben, als könnte der Schmerz zu groß sein. Aber wenn es doch vorkommt – durch Zufall oder Notwendigkeit –, dann stelle ich überrascht fest, dass es nicht schmerzt, nicht mehr, als ihre Abwesenheit eben überall schmerzt. Ich fühle ihre Abwesenheit nicht stechender, wenn ich einen Bienenkorb sehe, als wenn ich ein Buch betrachte, das sie nie geschaut. Warum ist das so?
Ich will Jane wiederhaben. Ich würde mich mit einer einzigen Minute in ihrer Gesellschaft begnügen. Ich würde mich zufrieden geben, könnte ich nur noch einen Satz zu ihr sagen. Nur einen einzigen!
Ich sehe sie überall. Ich sehe Kleinigkeiten, Einzelheiten von ihr: Wo eine Frau ihre Halskette zurechtrückt, eine andere in einem bestimmten Tonfall spricht, wieder eine andere mir ihr Profil zuwendet. Als wäre sie ein Spiegel, der zerbrochen ist und dessen Scherben nun überall liegen, wo man sie am wenigsten vermutet.
Ich habe Gott die Schuld gegeben. Aber wie viel habe ich selbst zu verantworten? Die Gerüchte, sie sei krank geworden, weil man sie falsch behandelt habe … ich fange an, selbst daran zu glauben. Hätte ich sie doch nicht gezwungen, nach der Taufe beim abendlichen Fest dabei zu sein. Hätte ich sie nur ruhen lassen … Die Wachteln. Warum habe ich ihren Gelüsten nachgegeben und ihr erlaubt, so viele zu essen? Das hat ihrer Gesundheit geschadet … Und dann die endlose Zahl von Kleinigkeiten, mit denen ich vielleicht unwissentlich zu ihrem Tode beigetragen habe. Jeden Tag finde ich neue …
Ich erinnere mich, dass einer mir vom Tode seiner Frau erzählte und dabei sagte: »Zuerst denkt man jeden Augenblick eines jeden Tages daran, selbst wenn man schläft; dann jede Minute, dann jede Stunde; dann nur ein paarmal am Tag. Dann kommt ein Tag, da denkt man überhaupt nicht daran. Den ganzen Tag nicht.« Das ist unmöglich. Der Mann war ein Lügner. Oder es hat ihm nie etwas an seinem Weibe gelegen.
Die Jahreszeit wechselt,
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