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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Samt gewandet
    Vom Kopf bis an den Fuß.
    »King Henry! King Henry!
    Seid gütig zu mir!
    Schickt schnell nach dem Wundarzt
    Und bringet ihn mir!«
    Der Wundarzt ward verständigt,
    Er kam so schnell er musst’,
    In schwarzen Samt gekleidet
    Vom Kopf bis an den Fuß.
    Er gab ihr starken Rauschtrunk
    Den Todesschlaf schlief sie.
    Die Seit’ ward ihr geöffnet –
    Das Kind, sie sah es nie.
    Das Kind, es ward benamset,
    Herausgestellt, genährt,
    Indes die junge Jane
    Kalt lag im Staub der Erd’ …
    So schwarz war die Trauer,
    Weiß war’s an den Wänden.
    Gelb schienen die Fackeln,
    Die sie hielten in Händen.
    Die Glocke ward geläutet,
    Sie klang nach Totenklag’,
    Indes die junge Jane
    Kalt in der Erde lag.
    Sechs Ritter, sechs Lords
    Reichten ihr noch die Hand,
    Sechs Herzöge folgten
    Im Trauergewand.
    Die Blume Alt-Englands
    Ward ins Erdreich versenkt,
    Indes der hohe König –
    Er weinte ohn’ End.*
    Heinrich kam in der Tat weinend nach Windsor, bevor man Janes einbalsamierten Leichnam in Hampton Court aufbahrte. Er sagte, er könne den Anblick nicht ertragen, und er könne auch nicht an den Begräbnisfeierlichkeiten teilnehmen. So benannte er Maria zur Hauptleidtragenden und schloss sich in Windsor in seine Gemächer ein. Tagelang bekam ihn kein Mensch zu Gesicht.

LXXX
    Z wischen einer Hochzeit und einer Beerdigung gibt es schauerliche Ähnlichkeiten. Beide lassen das Alltagsleben innehalten, bis ein bestimmter Ritus vollzogen ist. Beide erfordern einfarbige Gewandung – weiß die eine, schwarz die andere. Beide müssen in der Öffentlichkeit stattfinden und verlangen, dass die Teilnehmer mit dem Herzen dabei sind. Beide haben Veränderungen im Gefolge, die von Dauer sind. Zu beiden gehören Gegenstände und Aberglauben, die ihnen eigentümlich sind: Sargtücher und Brautschleier, Grabsteine und Trauringe. Beide sind kostspielig und müssen üppig ausgestattet werden, wenn die rechte Achtung erkennbar werden soll.
    König Heinrich in seinem Schmerz überließ es seinen vertrauten Ratgebern – Cromwell, Cranmer und Brandon –, das Begräbnis zu planen und durchzuführen. Es war nicht nötig, dass sie sich mit ihm berieten; sie wussten, dass für die Kosten dieser Bestattung keine Grenzen gesetzt waren und dass sie glitzernd und heilig werden musste. Das Klostergold, um dessen Rettung Jane sich so sehr bemüht hatte, würde nun ihre Beerdigung finanzieren.
    Ich war dabei, denn ich wusste, dass Heinrich irgendwann verlangen würde, dass man es ihm beschreibe, auch wenn er jetzt nicht ertragen konnte, es mit anzusehen.
    Janes Sarg wurde inmitten des Audienzsaales der Königin aufgestellt. Der neu gestaltete Raum war jetzt schwarz verhangen, und sämtliche Embleme des Todes waren zugegen: Kreuze, Bilder, Weihrauchfässer. Rings um die Bahre waren Fackeln und Kerzen aufgestellt, die beständig brannten, und eine Schar trauernder Damen in schwarzen Gewändern hielt Tag und Nacht die Totenwache.
    Maria war die Hauptleidtragende. Dies war für sie keine zeremonielle Verpflichtung, sondern eine, die sie mit ganzem Herzen übernahm. Jane hatte sie an den Hof zurückgeholt und sie wieder in die königliche Familie aufgenommen, nachdem sie fünf Jahre im Exil verbracht hatte. Aber darüber hinaus war es, das sah ich an ihren geröteten Augen und den vom Schmerz verlangsamten Bewegungen, auch ihre Mutter, um die sie trauerte. Maria hatte nicht an Katharinas Begräbnis teilnehmen dürfen.
    Eine Woche lang erklangen die Trauergesänge im Saale. Dann besprengte Janes Almosenier, der Bischof von Carlisle, den Sarg mit Weihwasser und ließ ihn in die königliche Kapelle bringen, wo man einen Katafalk errichtet hatte. Eine lange Prozession mit unangezündeten Fackeln gab ihm das Geleit, durch den Ratssaal in das königliche Empfangsgemach, durch die Große Halle und die Treppe hinunter in den Uhrhof und durch die Bogengänge bis zur Pforte der Kapelle.
    Dort lag sie zwei Wochen aufgebahrt, bis die Grabstätte in der St.-Georgs-Kapelle zu Windsor bereitet war.
    Der Leichenwagen, von schwarzen Pferden gezogen, fuhr langsam von Hampton Court durch die frostige Novemberlandschaft nach Windsor Castle. Der Tod war überall – in den gefallenen Blättern, im trockenen Gras, in der stillen Luft. Die schwarze Prozession schlängelte sich durch eine braune Landschaft.
    Auf dem Dach der großen, geschlossenen Sargkutsche ruhte, wie der Brauch es befahl, ein wächsernes Bildnis der Königin Jane, gekrönt und in

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