Ich, Heinrich VIII.
Gouverneur von Calais sandte volle drei Dutzend fette Wachteln (die er jenseits der Grenze in Flandern beschafft hatte) mit ausführlichen Anweisungen, wie sie von Dover bis London am Leben zu erhalten seien und wie bald nach dem Schlachten sie zubereitet werden müssten. Auf einen Sitz verspeiste sie ein halbes Dutzend Wachteln, und dabei lachte sie über ihre Völlerei ebenso wie über ihren besonderen Geschmack.
Ich missgönnte ihr nichts. Das Volk frohlockte bereits voller Glück über die Aussicht auf einen unumstrittenen Thronerben.
Janes Schwangerschaft nahm einen ereignislosen, gesunden Verlauf. Warum also, warum …?
Ich will darüber nur kurz berichten, denn es wird mir nicht leichter, je länger ich dabei verweile.
Janes glückliche Schwangerschaft wurde durch eine Entbindung, die scheinbar nicht enden wollte, grausam gekrönt. Drei Tage und zwei Nächte währten die Wehen, und in den letzten vierundzwanzig Stunden war sie so schwach und verwirrt, dass man die Hoffnung, sie könnte überleben, allmählich aufgab. Es war – unter den Ärzten – die Rede davon, sie aufzuschneiden und das Kind herauszuholen. Noch heute gibt es Leute, die behaupten, man habe mich damals gebeten, zwischen der Mutter und dem Kind zu wählen, und ich hätte geantwortet: »Rettet das Kind um jeden Preis. Ein neues Weib ist leicht gefunden.« Dies zeigt, wie sehr meine Feinde mich hassen.
Die Wahrheit ist, dass ich eine solche Anweisung nie gegeben habe, noch hätte man mich je vor die Wahl gestellt.
Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, als das Kind – ein gesunder, kräftiger Knabe – zur Welt kam. Und kaum hatte er ihren Leib verlassen, begannen Janes Kräfte zurückzukehren. Freudenfeuer loderten auf den Hügeln am Rande von London. Kanonen dröhnten.
Ein Prinz war geboren!
König Heinrich VIII. hatte einen Sohn.
Ich hatte einen Sohn. Ich konnte nur immer wieder diese Worte wiederholen; ihre Ungeheuerlichkeit umhüllte und schützte mich wie ein Schild.
Ich hielt ihn in meinen Armen und sah, wie golden und vollkommen er war. Der Sohn, der mir mit Katharina und Anne versagt geblieben war – jetzt war er da, als sei dies eine Kleinigkeit.
Er sollte auf den Namen Edward getauft werden. Er war am Vorabend von St. Edward geboren, und Edward hatte auch mein Großvater geheißen. Ich erzählte es Jane, flüsterte es ihr ins Ohr, als sie in ihrem Wochenbett lag. Meine Jane – auch sie war mir zurückgegeben. Sie lächelte und stimmte zu.
Edward wurde drei Tage später hochfeierlich getauft, und zwar in der Kapelle in Hampton Court. Der Herzog von Norfolk und Cranmer waren seine Paten, und Maria war die Patin. Jane, in dicke Polster gebettet und mit dunkelrotem Samt und Hermelin bedeckt, wartete (mit mir an ihrer Seite) in ihrem Gemach, um Edward nach der Zeremonie ihren Segen zu geben. Dann schaute sie von ihrer königlichen Ruhestatt aus den Feierlichkeiten zu. Sie lachte, und der Fackelschein glomm in ihren Augen. Sie war wohlauf, das kann ich sagen. Sie war wohlauf.
Aber gegen Mitternacht bekam sie Fieber, und es ging ihr schlecht. Die Übelkeit zehrte an der Kraft, die sie in den drei Tagen seit Edwards Geburt gesammelt hatte.
Fieber und Übelkeit brachten erst Schwäche, dann Halluzinationen. Neun Tage blieb sie so auf der Grenze zwischen unserer Welt und einer anderen.
Dann, am vierundzwanzigsten Oktober, starb sie.
Will:
Allenthalben suchten die Menschen, eine Schuld dingfest zu machen. Manche schrieben es der Nachlässigkeit derer zu, die »es litten, dass sie der Kälte ausgesetzt ward und dass sie aß, was ihr in ihrer Krankheit in den Sinn kam«. Mönchsfreunde und Papisten nannten Jane eine »Reformerin«, die ihr gerechtes Ende (durch die Hand des Herrn) gefunden habe. Heinrichs Feinde behaupteten, Katharina und Anne hätten sich gerächt (etwa gemeinsam?).
Das gemeine Volk, das Heinrich (den Hoffnungen seiner Feinde zum Trotz) immer noch liebte, versuchte, diese Tragödie zu einem hehren Märchen zu verklären. Königin Jane war nur wenige Tage tot, als schon Balladen über sie gesungen wurden. Eine vor allem war durchaus denkwürdig (im Gegensatz zu derjenigen, die Anne geschrieben hatte, um sich zu verewigen).
Queen Jane lag in Wehen
Sechs Wochen und mehr,
Bis die Weiber erschöpft war’n
Und wollten nicht mehr,
»Ihr Weiber! Ihr Weiber!
Seid gütig zu mir!
Schickt schnell nach King Henry
Und bringet ihn mir!«
Der König ward verständigt,
Er kam so schnell er musst’,
In grünen
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