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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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werden, ja.« Benommen schüttelte sie den Kopf. »Die kleine Catherine Howard soll Königin von England sein?«
    »Meine Liebe«, sagte ich, meine Worte sorgsam wählend, »eine der größten Annehmlichkeiten im Dasein eines Königs besteht in der Macht, zu entscheiden, wer würdig ist, zu Ehre und Ansehen erhoben zu werden. Übersehene, unbekannte Personen zu entdecken, die ohne mich niemals den Ruhm und die Anerkennung erhalten würden, die sie verdienen. Glaubt Ihr nicht, dass es in Irland begabte, talentierte und schöne Menschen zuhauf gibt? Aber sie werden geboren, sie leben und sie sterben unbemerkt – wie menschlicher Kompost. Ihr« – ich nahm ihr makelloses rundes kleines Kinn in meine Hand – »seid geboren, um eine Krone zu tragen. Catherine, werdet mein Weib.«
    »Aber die gute Lady von Kleve …«
    »Für sie wird gut gesorgt werden. Macht Euch nicht den Vorwurf des Verrats, wenn Ihr an die Stelle Eurer Herrin tretet. Sie und ich waren nie wirklich Mann und Frau. Schwester und Bruder sind wir, und so wird es bleiben.«
    Immer noch blieb sie stumm sitzen. »Ich glaube es nicht«, erklärte sie schließlich. »Ihr treibt einen Scherz mit mir.«
    »Niemals! Wollt Ihr mich auf die Probe stellen, so soll es sein! Ich werde niemals trachten, mit Euch allein zu sein, bis zu dem Abend, da Cranmer uns den Segen der Kirche gegeben hat.«
    »Wirklich?«
    »Aye. Wirklich. Eine reine Jungfrau sollt Ihr bleiben bis zu diesem Tag.«
    Sie fiel auf die Knie und fing an, meine Hand zu küssen. »Guter König Heinrich, Ihr wisst nicht, was Ihr tut. Ich bin nicht würdig, Euer Weib zu werden.«
    Ihre Lippen waren warm, rund und feucht. Ich fühlte, wie meine Männlichkeit sich regte. »Nein. Nur die Unwürdigen betrachten eine Erhebung als selbstverständlich. Gerade Euer Widerstreben zeigt, dass Ihr würdig seid.« Ihre Lippen setzten ihr Wirken fort. Ich löste mich von ihr und erhob mich. »Meine geliebte Catherine«, sagte ich. »Ich danke Gott für diesen Tag. Wartet auf mich und vertraut mir. Ihr werdet staunen, wie schnell ich all dies zuwege bringen werde!«
    Die Sonne strahlte in das wunderliche kleine Zimmer; ich sah, wie Stäubchen im satten Frühlingslicht tanzten. Es war Zauber das alles. Ich küsste Catherines Hände, hörte sie aufschreien, und sie zog die Hände weg und lief hinaus wie ein Kind, das davonrannte. Ein verängstigtes Kind? Ein aufgeregtes Kind? Jedenfalls ein Kind, das seine Manieren vergaß und nicht um Erlaubnis bat, sich zurückziehen zu dürfen.
    Ein entzückendes Kind, das mich lehren würde, wieder zu spielen! Meine Handflächen waren schweißfeucht, als ich den Deckel über den Tasten des Spinetts herunterklappte.

LXXXIX
    I n den sieben Wochen zwischen Ostern und Pfingsten unterhielt Cranmer jeden Mittwochabend Prälaten und Höflinge im erzbischöflichen Backsteinschloss zu Lambeth mit Konzerten. Das Schloss lag dicht bei der Themse, dem Palast und der Abtei von Westminster gegenüber, und an einem Frühlingsabend bot es allen fünf Sinnen köstlichen Genuss: dem Auge natürlich den Sonnenuntergang auf dem breiten, frischen Fluss; der Nase den zarten Duft von feuchter Erde und frühen Blüten ringsumher; der Zunge Spargel und Fisch, vor dem Konzert serviert auf kleinen weißen Weizenküchlein und mit Weißwein, gewürzt mit Waldmeister; dem Tastsinn die weiche Maienluft, die durch die neu geöffneten Fenster hereinwehte. Und für das Ohr die Musiker selbst mit ihren präzise gestimmten Instrumenten: Violen, Dulzianen, Lauten und sogar einem Cembalo aus Italien. Manchmal schaffte Cranmer auch ein exotisches Instrument herbei, ein elfenbeinernes Kornett etwa.
    Alles erschien mir heiter an diesen Abenden, alles schwamm in einem Dunst von sinnlicher Schwelgerei, denn meistens war Catherine Howard dort, ihres musikalischen Interesses wegen, zusammen mit ihrem Onkel, dem Herzog, und Bischof Gardiner. Das Interesse an der Musik war anscheinend ein Privileg der Ästheten und Traditionalisten. Protestanten sahen es mit Stirnrunzeln und hielten es für eine »Leichtfertigkeit«, weshalb Lady Anna von Kleve auch nie darin ausgebildet worden war. Um die Wahrheit zu sagen, die meisten Sinnenfreuden waren offenbar den Traditionalisten vorbehalten, während die »neuen Menschen« alles pur und schlicht sehen wollten. Und erstickend langweilig!
    Diese Abende bestärkten mich in meiner Hingabe an Catherine und unsere gemeinsame Zukunft wie auch in meiner Einsicht in die Notwendigkeit, Cromwell im

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