Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
Vom Netzwerk:
gestrichen, weil er ein Unruhestifter sei. »Er ist mutwillig und nicht geeignet, in der Nähe meines Sohnes zu sein«, habe er gemurmelt. »Denn wäre er in meinem Testament, er wäre Euch gewiss allen zur Last, und niemals würdet Ihr ihn bezähmen; er ist von so beschwerlicher Art. Freilich, ich selbst könnte ihn mir wohl zunutze machen und ihn zu mancherlei Ende lenken, wie es mir tunlich erschiene; Ihr aber werdet es nie können.«
    Dann habe er nach Kate geschickt, ihre Hand umfasst und tröstend zu ihr gesagt: »Es ist Gottes Wille, mein Herz, dass wir nun scheiden; und ich befehle allen diesen Gentlemen, dich zu ehren und zu behandeln, als wäre ich noch am Leben. Und so es dir gefallen möchte, wieder zu heiraten, so befehle ich, dass du sollst siebentausend Pfund für deine Dienste erhalten, solange du lebst, und auch alle deine Juwelen und Geschmeide.« Kate habe ihm vor lauter Weinen nicht antworten können, und er habe sie daher gebeten, ihn nun zu verlassen. Und so habe der weise, vorausschauende König seinen Garten gejätet und nach besten Kräften abgesteckt und sei dann im Stande der Gnade friedlich entschlummert.
    Die katholische Version berichtet das genaue Gegenteil. Hier erzählt der mysteriöse Augenzeuge, der König habe, vom Gewissen gepeinigt und von Reue verzehrt, die letzten Stunden in seinem Schlafgemach verbracht, mit den Armen um sich geschlagen und nach »weißem Wein« geschrien, und dann habe er sich aufrecht hingesetzt und Schatten gesehen. »Alles verloren!«, habe er gejammert. »Mönche, Mönche!«
    Tatsächlich sind beide Geschichten frei erfunden, wenn auch fesselnd.
    Dass Heinrich versuchte, für die Zukunft zu planen und Edwards Position zu sichern, ist wahr. Dass er die Fehler der Vergangenheit beklagte und sich gar nach der verlorenen Welt, zu deren Zerstörung er beigetragen hatte, zurücksehnte, ist gleichfalls wahr. Aber nichts davon reichte bis auf sein Sterbebett. Als er dort angelangt war, bestand sein einziges Bemühen darin, nach Atem zu ringen. Philosophische Probleme sind ein Luxus, der nur Gesunden zuteil wird.

    Nach fünf Tagen war die königliche Kapelle so weit hergerichtet, dass sie Heinrich aufnehmen konnte. So schaffte man den Sarg in die dunkle, klamme, renovierte Kapelle, wo er in einem größeren Sarg noch zwölf Tage lang stehen sollte, ehe man ihn nach Windsor brächte, wo er in der St.-Georgs-Kapelle bestattet werden sollte. Die Menschen kamen, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Die Regierung gab den Tod des Königs bekannt – unter entsprechendem Glockengeläut und mancherlei Proklamation – und bemühte sich, einen Protektor für den Knabenkönig zu bestellen. Erstaunt stellten sie fest, dass Heinrich diesen in seinem Vermächtnis überhaupt nicht erwähnt habe, denn er sei doch, so fanden sie, »absolut erforderlich« für die friedliche Lenkung des Reiches. Man hätte fast meinen können, behaupteten sie, Heinrich habe sich davor gefürchtet: ein weiteres Beispiel für seine argwöhnische Natur – oder für seine geistige Verirrung. Gleichviel, sie würden dies nun richten und tun, was der wahnsinnige König getan hätte, wäre er noch er selbst gewesen. Es überraschte nicht, dass ihre Wahl auf Edward Seymour, den Onkel des Prinzen, fiel. Er sollte Protektor werden, der ungekrönte König und Herrscher über England, bis Edward achtzehn wäre.
    Aber ich bin töricht. Das alles wisst Ihr ja, und auch, was nachher geschah. Ich muss die Einzelheiten des Begräbnisses aufschreiben, und sonst gar nichts.

CXXXIII
    W ie gesagt, der äußere Sarg stand zwölf Tage lang in der königlichen Kapelle. Um diesen Sarg zu beschreiben: Es war ein sehr großer Kasten aus gutem englischem Holze, mit schwarzer, edelsteinbesetzter Seide drapiert und mit Wappen und Emblemen des königlichen Stammbaums verziert. Die Banner von Heiligen, in feinem Gold gehämmert und auf Damast gesetzt, bedeckten jede der vier Ecken. Über das Ganze spannte sich ein großer Baldachin aus transparentem, golddurchwirktem Tuch, das mit hauchzarter schwarzer Seide überzogen war.
    Das mächtige Reliquiar – denn ein solches war es – war umstanden von zwei Fuß hohen Wachskerzen, die alles in allem eine Tonne wogen. Der ganze Fußboden und die Wände der Kapelle waren mit schwarzem Tuch bedeckt. Exquisiter Tod erfüllte die Kapelle.
    Während Heinrich – wenn auch unfreiwillig – an diesem Tableau mitwirkte, wimmelte es im Reich wie auf einem Ameisenhügel. Kanzler Wriothesley

Weitere Kostenlose Bücher