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Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode

Titel: Ich Ich Ich - wir inszenieren uns zu Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Bergmann
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Filmproduzent und ihr späterer Ehemann, auf sie aufmerksam. Es war seine Idee, die dunkeläugige, üppige Schönheit als Gegenstück zu den damals sehr beliebten FranzösinnenBrigitte Bardot und Jeanne Moreau zu inszenieren. Dabei wurde nichts dem Zufall überlassen: Der Cardinale wurde vertraglich unter anderem verboten, sich die Haare zu schneiden, zu heiraten oder zuzunehmen. Auch ihr Sohn Patrick, den sie mit 17 bekommen hatte, passte nicht ins Bild. Sie gab ihn lange als ihren jüngeren Bruder aus. In ihren 2005 erschienenen Erinnerungen »Mes étoiles« enthüllte sie, dass er das Ergebnis einer Vergewaltigung gewesen sein soll.
    Die Filmindustrie hat Schauspieler in den Himmel gehoben und so die ersten Kunstfiguren für ein Millionenpublikum erschaffen. Mit der Ausweitung der Unterhaltungszone – immer mehr bunte Blätter, immer mehr Fernsehkanäle – stieg der Bedarf nach solchen Medienmenschen. Dadurch wuchs aber nicht nur die Zahl der Prominenten , »sondern es entstand ein völlig neuer Typus von Prominenz, Personen nämlich, die in und von den Medien leben«, schreibt die Soziologin Birgit Peters. 3
    Neben den Stars und Superstars, die heute eine viel stärkere Position gegenüber Filmstudios und TV-Stationen haben als früher, braucht der Boulevard Fußvolk: Augenblicksberühmtheiten für verschiedene Zwecke, um all die Sendungen und Seiten in der Presse und zunehmend im Internet zu füllen. Die Funktion des Promis ist dabei die des Köders, mit dem das Publikum angelockt wird, das wiederum für Auflage, Quote, Werbung und damit für Einkünfte in den Verlagen und Sendern sorgt. Die Explosion des Medienangebots und der Siegeszug des Boulevards führten zur Promi-Inflation, die sich mittlerweile zur Plage ausgewachsen hat.
    »Die Medien müssen […] Celebrities in Massen herausbringen, um die Attraktion als Massengeschäft zu betreiben« 4 , schreibt Georg Franck, der mit »Ökonomie der Aufmerksamkeit« ein Standardwerk zum Thema verfasst hat. Die Rechnungmit den Sternchen, Stars und Superstars geht häufig auch erstaunlich gut auf. So konnte beispielsweise der Fernsehsender RTL im Jahr 2010 mit seiner Quizshow Wer wird Millionär? mehr als 100 Millionen Euro an Bruttowerbeeinnahmen erzielen, weil der Publikumsliebling Günther Jauch als Moderator verlässlich für eine hohe Quote sorgte.
    Die Zahl der Jobs für Prominente aller Kategorien ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Medien besetzen sie, indem sie zum Beispiel Mitglieder der klassischen Elite auf den Boulevard locken: So tauchen seit den rot-grünen Regierungsjahren vermehrt Politiker in der Bunten auf. Auch Literaten, Philosophen, Opernsänger, Wissenschaftler, Kleriker und Manager werden mittlerweile nach den Gesetzen der Unterhaltungsbranche in Szene gesetzt. Außerdem baut man kleine Lichter – deren Fähigkeiten nicht wesentlich darüber hinausgehen, als ein paar Wochen im Big Brother -Container auszuhalten oder sich bei einer Reality- oder Castingshow zum Affen zu machen – zu Kurzzeit-Promis auf, führt sie dem Publikum eine Weile vor und schreibt sie dann ab.
    An Nachwuchs mangelt es nicht, denn noch nie buhlten so viele Leute um öffentliche Aufmerksamkeit wie heute. »Je reicher und offener die Gesellschaft«, so Georg Franck, »umso offener und aufwändiger wird der Kampf um die Aufmerksamkeit ausgetragen. Nicht der sorglose Genuss, nein, die Sorge, dass die anderen auch schauen, wird zum tragenden Lebensgefühl in der Wohlstandsgesellschaft.« 5 Man könnte auch von einem Drang zur Selbstinszenierung sprechen, der heute dank moderner Technik leicht auszuleben ist. Jeder, der meint, ein toller Sänger, Comedian, Zauberkünstler, Luftgitarrenspieler oder Stripper zu sein, kann ein Filmchen von seinen Künsten drehen, bei YouTube hochladen – und darauf hoffen, erst von einemMassenmedium und dann von einem Millionenpublikum entdeckt zu werden. Oder mit seiner Facebook-Seite Freunde sammeln. Oder sich per Twitter von Fans verfolgen lassen. Millionen tun es. Sie glauben, dass auch sie prominent werden können. Und liegen damit nicht ganz falsch.
Auffallen um jeden Preis
    Während früher Talent, unbedingter Glaube an eine Sache und Fleiß notwendig waren, um berühmt zu werden – etwa durch das Malen der Mona Lisa (Leonardo da Vinci), die Entwicklung der Relativitätstheorie (Albert Einstein) oder den Aufbau eines Weltunternehmens (Henry Ford) –, ist das heute deutlich einfacher. Zuweilen reicht es schon,

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