Ich kann dich sehen: Thriller (German Edition)
plötzlich wieder etwas ein. Teagan hatte über jemanden gekichert, der sich in seinem Anzug wie in einer Lederkluft bewegte. Oh, der Daniel Beck. »Ja, natürlich. Tut mir leid.«
»Soll ich jemanden für Sie anrufen?«
Wen, Liv?
»Ihren Mann vielleicht?«
»Nein.«
»Einen Partner? Freund?«
»Herrgott, nein.«
»Was ist mit Ihrer Geschäftspartnerin? Ich glaube sie heißt Kelly. Kennen Sie ihre Telefonnummer auswendig?«
Sie sah Kelly vor sich, das Gesicht, das Liv seit ihrem fünften Lebensjahr kannte – die grünen Augen, das ansteckende Lachen. Kelly und Jason hatten ihre Ruhe verdient, nach dieser verdammt schrecklichen Zeit, in der sie ihr zur Seite gestanden hatten. Sie atmete tief durch. Komm schon, du schaffst das. Es ist nur eine verletzte Hand und eine Beule am Kopf. Du musst spätabends nicht noch mehr Müll auf ihnen abladen. Sie fuhr sich mit den Fingern durch das verfilzte Haar und presste die Lippen zusammen, als wollte sie Lippenstift verteilen. »Ja, sie heißt Kelly. Sie müssen sie nicht anrufen. Es geht mir gut. Ich habe nur eine leichte Verletzung an der Hand.«
Als sie das sagte, sah sie bereits rote und blaue Lichter von der Straße in das Parkhaus blinken.
3
Livs Gesicht tat ihr weh, und ihre Hand war ein einziger pochender Schmerz. Sie saß immer noch auf dem Rücksitz ihres Wagens. Der Polizist an der Wagentür trug Uniform, sah aber aus wie sechzehn. Sie sah sich um und zu den schattigen Säulen gegenüber von ihrem Auto. »Könnten wir den Rest woanders erledigen?«
»Alles in Ordnung, Mrs. Prescott, Sie sind jetzt in Sicherheit.«
Sie sah über seinen Kopf zu Daniel Beck. Er sprach mit dem älteren Polizisten und zeigte auf die Auffahrt, über die sie kurz zuvor gelaufen war. Er sah aus, als könnte er den jungen Polizisten hochheben und über den Parkplatz schleudern. Das gab ihr Sicherheit.
»Gibt es jemanden, der Ihnen was antun will?«, fragte der junge Polizist erwartungsvoll.
»Was? Nein.«
»Die meisten Opfer kennen den Täter«, stellte er fest, als müsste er ein Referat zu den Statistiken schreiben. »Denken Sie noch einmal nach!«
Sie fuhr mit dem Finger über die Beule an ihrer Wange, die immer größer wurde. Der Mann, der sie überfallen hatte, hatte in der Dunkelheit auf sie gewartet und dann ihren Kopf auf ein Autodach geknallt. »Mir fällt niemand ein, der so etwas tun würde.«
»Sie sagten vorhin, Sie leben von Ihrem Mann getrennt.«
»Das ist richtig.«
»Ist er jemals gewalttätig geworden?«
»Nein.« Wütend war nicht gleich gewalttätig.
»Wer von Ihnen beiden wollte die Trennung?«
Sie wandte ihr Gesicht ab. Das ging ihn verdammt noch mal nichts an. »Männer und Frauen trennen sich ständig. Das heißt aber noch lange nicht, dass der eine den anderen verprügelt.«
»Aber das kommt leider auch vor, Mrs. Prescott.«
Sie sah ihn wieder an, ihr wurde schwindlig. »Großer Gott.«
Ein Schatten spiegelte sich in der Autotür. Daniel Beck.
»Ich denke mal, das reicht«, sagte er zu dem Beamten.
»Ich habe noch ein paar Fragen.«
»Die können Sie später auch noch stellen.« Das war eine Feststellung, kein Vorschlag. Liv sah ihn dankbar an.
Der junge Beamte nickte. »Morgen wird sich jemand mit Ihnen in Verbindung setzen, Mrs. Prescott.«
Als er gegangen war, legte Daniel einen Arm auf das Wagendach. »Alles in Ordnung?«
Nein, ganz und gar nicht. Irgendetwas tief in ihr drin zitterte immer noch, und immer wieder kamen ihr Tränen hoch. »Ich möchte hier raus.«
Er sah zu den Beamten hinüber, murmelte irgendetwas und beugte sich dann wieder zu ihr herab. »Der Krankenwagen ist gleich da.«
»Ich will nicht ins Krankenhaus. Ich fahre nach Hause.«
Daniel schenkte ihrem Einwand keine Beachtung. Der Krankenwagen stand bereits in der Zufahrt, sie ließ zu, dass er hinging, wartete, bis ein Beamter kam, gestikulierte und auf Liv zeigte.
Er kannte sich ganz offensichtlich mit Polizei und Erster Hilfe aus. In welcher Firma arbeitete er noch mal? Sie erinnerte sich nicht mehr daran, sondern war einfach nur dankbar, dass er heute Abend bis spät gearbeitet hatte und jetzt dabei half, alles zu koordinieren. So konnte sie sich darauf konzentrieren, nicht die Nerven zu verlieren. Sie musste besser aussehen, als sie sich tatsächlich fühlte, wenn sie das Krankenhaus vermeiden wollte.
Die Sanitäterin leuchtete ihr in die Augen, tastete ihren Kopf ab und verursachte ihr höllische Schmerzen, als sie Livs Finger untersuchte.
»Ich gehe
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