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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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gefallen sei, wie sich der einzige Sohn meiner Mutter noch genau erinnern konnte. Da meine Frau aber nicht davon ablassen wollte, mir eine memmenhafte Schreckhaftigkeit anzulästern, und die Gefahr bestand, dass sie bei nächsten Geselligkeiten die Gäste ermahnen würde, keine hektischen Bewegungen zu machen, damit ich nicht die Kirsche samt Cocktail aus dem Glas zucke, sagte ich zu ihr in einem kurzen Blackout reifer Streitkultur: «Dafür hast du eine dicke Nase!»
    Nun gehören Einschätzungen zur Nasenmissgestalt von Frauen zu den am wenigsten reharmonisierenden Argumenten, und meine Frau stürzte erbost aus dem Zimmer, aus der Wohnung, aus dem Haus. Ich stürzte hinterdrein, und es gelang mir, die jeweils zufliegendenTüren noch rechtzeitig aufzufangen, auch wenn ich die letzte nur noch mit dem Fuß stoppen konnte, wobei ich rechts wenigstens eine Schuhgröße einbüßte. Ich humpelte zurück und stritt noch eine halbe Stunde allein in der Küche auf und ab, probierte Finten und Spitzen an einer imaginären, nun aber völlig kleinlauten Gattin aus, bis ich was gefunden hatte, das ich ihr aufs Handy zetern konnte. «Und außerdem hast du beinahe angewachsene Ohrläppchen, meine Liebe!», rief ich ins Telefon, aber das Telefon sagte nur mau zu mir: «Stefan   …»
    Ich erstarrte. In einer Welt voller Spitz- und Kosewörter ist die Nennung des standesamtlichen Vornamens Anlässen höchster Wichtigkeit vorbehalten. «Ich bin von einem Auto angefahren worden!», sagte meine Frau.
    Ich hasse es, wenn mein Leben so tut, als sei es ein französisches Melodram. Ich hasse es sogar, wenn sich ein französisches Melodram so aufführt wie ein französisches Melodram. Exakt passende, dramatische Schicksalswendungen mit durchsichtigen moralischen Reinigungseffekten sind mir ein Gräuel. Ich möchte nicht am Ende erkennen müssen, was wirklich wichtig ist. Ich möchte nicht lernen, mich an den kleinen Dingen zu freuen. Ich möchte verblendet bleiben und mich über jeden banalen Mist aufregen, wenn mir danach ist.
    «Ich bin in der Notfallaufnahme», sagte meine Frau weiter, und ich fuhr durchs Blitzergewitter der städtischen 30er-Zonen ins Krankenhaus. Meine Frau lag leicht bandagiert auf der Trage. «Es gibt so vieles, was ich dir noch sagen wollte», schluchzte ich, als der Arzt neben mir erschien und von Glück im Unglück und mit ein paar Kratzern davongekommen sprach. – «Was denn   …?», schluchzte meine Frau ergriffen.
    «Im Wald, da hab ich überhaupt nicht vor Angst aufgeschrien. Ich hab nur blitzartig ausgeatmet. Ein Trick der japanischen Karatemeister, heißt Kiai, ein Kampfschrei. Um dich zu schützen, Schönste.»

Umbau im Lotterbett
    Es wird zwar in der derzeit grassierenden Geschlechterdestobesserbespaßung immer anders dargestellt, aber Männer und Frauen passen eigentlich ganz gut zusammen. So fügt sich in der natürlichen Löffelstellung der leicht gewölbte Bauch des Mannes nahtlos in den leicht entwölbten Rücken der Frau, und weiter unten dient dem weiblichen Gesäß das Mannesbecken als Gefäß. (Joa Kruzitürken, gebt’s halt noch oan Versmaß her!) Das Einzige, womit Männer und Frauen nicht zusammenpassen, sind die Arme. Hier ist vor allem der von Fachleuten so bezeichnete Matratzenarm zu nennen. Hinter sich kann man ihn kaum legen, es sei denn, man gehört zu den Leuten, die dem Armauskugeln eine schlaffördernde Wirkung abgewinnen, direkt unter den Leib passt er auch nicht recht, und weil ich ihn deswegen immer aus Verzweiflung nach vorn unter den Hals meiner Frau schiebe, geschah eines Nachts dies: Als ich den Arm benutzen wollte, war er tot. Ich versuchte noch, die Finger zu bewegen, aber die Finger stellten sich taub. Langsam zog ich den Arm unter meiner Frau hervor, aber es hätte genauso gut ein Ärmel sein können. Mit dem Ruf «Ich bin gefühllos!» sprang ich auf, den abgestorbenen Ärmelarm an meiner Seite baumelnd. «Das sagen meine Schwestern schon die ganze Zeit», murmelte meine Frau in ihr Kissen. «Oh, mein Gott! Er ist tot, er ist tot!», schrie ich weiter und tastete mit dem noch am Leben gebliebenen Arm nach der Nachttischlampe. Doch diese, als hätten sich dieAusfallerscheinungen nun auch noch auf die Dinge um mich herum ausgeweitet, ging nicht an, sondern kaputt.
    Später, als mein eingeschlafener Arm sich allmählich ins Leben zurückgekribbelt hatte und die Nachbarn mit den kopfschüttelnden Herren von der Mordkommission wieder gegangen waren, sagte ich zu meiner

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