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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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älter, abgelebter, verbrauchter!», begann ich eine meiner viel zu selten verlangten, unbestechlichen Gesamteinschätzungen, deren weiterer analytischer Tiefgang allerdings in einem Kreischen unterging, aus dessen Durcheinander man mit einiger phonetischer Sachkenntnis die Worte «Sie war beim Friseur!!!!» heraushören konnte.
    Meine Frau zupfte in hysterischer Überdeutlichkeit an Suses Haaren herum, um mir zu zeigen, was der Friseur angestellt hatte. «Alles zu kurz. Die Stufen stimmen überhaupt nicht. Und die Farbe ist viel zudunkel.» Dann fielen alle drei wieder schluchzend ineinander.
    Ich nahm ein Stück figurneutralen Harzer Käse aus dem Kühlschrank und aß es in dem Bewusstsein auf, eine ausgesprochene Ekelspeise meiner Jugend dem Geschmack nun genauso lang gereifter und wahrscheinlich bereits ähnlich aromatisch riechender Männlichkeit hinzugefügt zu haben. «Was ihr nur habt», wandte ich mich dann kauend und tröstend dem Friseuropferbund wieder zu, «in einem halben Jahr ist das wieder herausgewachsen.» Das entsetzte Gekreisch, das nun folgte, hörte sich an wie ein Pack iranischer Klageweiber mit Zahnwurzelentzündung bei einem Konzert von Tokio Hotel.
    «Sie wollte Strääääääähnchen, verstehst du das nicht?», schrie meine Frau. Doch, ich verstehe das. Der tolle Vorteil der Frauen, sich mittels ihrer Frisuren quartalsweise komplett verwandeln zu können, wird doch empfindlich geschmälert durch eine gewisse, diesem Verwandlungsprozess innewohnende Unvorhersehbarkeit. Wären Friseure Busfahrer, könnte man das Erreichen des Hauptbahnhofes nur in Wahrscheinlichkeiten und Streuungsbreiten angeben. Und wären Friseure Nierenärzte, würden den Kolikpatienten öfter mal statt der Steine die Kniescheiben fachgerecht zertrümmert.
    Doch es ist nicht der Coiffeure Schuld allein. Offenbar taugt der weibliche Wortschatz nur ungenügend, um das zu beschreiben, was eine Frau am Ende im Spiegel sehen will. Hier rächt sich, dass Frauen nur die Sprache der Gefühle zu sprechen verstehen. Während ich mit «Hinten und an den Seiten neun Millimeter!» selbst bei sehr auffassungsschwach vor sich hin schnippelnden Friseuren Wunschergebnisse erziele, müssen die Frauenhaarschneiderimmer nebulöse Angaben von Glanz, Spannung und Volumen hier und da in Schnitte und Wickler umsetzen.
    Mitleid weitete mein Herz. «Kannst ja in der Zwischenzeit ein Kopftuch umbinden, Suse!» «Das ist verboten», schluchzte Suse viel zu dunkelviolett und ausgefranst vor sich hin, «ich bin doch Lehrerin.»

Mein Mann möchte diese Kolumne nicht schreiben
    Scheinbar geringe Zeichen richtig und rechtzeitig deuten zu können zählt zu den wichtigsten Selbstbehauptungstechniken eines Mannes in einer begründet andauernden Partnerschaft (Männer in unbegründet andauernden Partnerschaften können jetzt aufhören zu lesen und müssen es wahrscheinlich sogar, weil die Frau hinter ihnen ruft: «Was glotzt du in dieses Buch? Der macht mich nochmal wahnsinnig mit seinem sinnlosen Herumlesen!»).
    Doch auch ich hielt es erst mal für eine liebe Geste, als meine Frau zum Schulanfang des Sohnes sagte: «Ich werde mal aufstehen. Du kommst ja morgens nicht so gut raus.» Ich röchelte ihr freundlich zu und drehte sofort wieder das Weiße meines Augapfels in den flimmernden Lidspalt. Ich fühlte mich schon weniger verwöhnt, als mich Tage später beim Sonntagsmahl mit der Verwandtschaft die Frau löffelstoppend mahnte: «Iss mal lieber keinen Rosenkohl. Du weißt doch, wie die Winde dich dann immer quälen.» Die Verwandten lächelten mich mit schlecht gekünsteltem Mitgefühl an, und ich lächelte erwartungsgetreu ertappt zurück. Aber ich begriff erst, als ich eines Abends ins Wohnzimmer kam und meine Frau vorm Fernseher meinte: «Das ist nichts für dich. Du interessierst dich nicht für Tennis.» Ich prallte brav zurück, schlug mir an die Stirn und sprach: «Danke du, stell dir mal vor, ich hätte mir das jetzt angeguckt, obwohl ich mich überhaupt nicht dafür interessiere.» Meine Frau nickte aber sehr ernsthaft,und ein Schauer lief mir über den Rücken. Meine Frau war dabei, mich zu übernehmen. Meine Frau hatte mich in all den Jahren fleißig kennengelernt, und jetzt kannte sie mich nicht nur gut, jetzt kannte sie mich zu gut, um mich noch länger meiner eigenen, bei weitem nicht so erschöpfenden Selbsterkenntnis zu überlassen. Nicht mehr lange, und meine Frau würde mich mit einer endlosen Reihe von «Mein Mann möchte nicht mit

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