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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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doch die Nummervon der Polizei, dann brauchst du das nicht zu essen», verhandelt mein vom putzigen Kind ganz bezaubertes Weib alle Pädagogik zu Tode und formt auch noch lautlos die Zahlen mit den Lippen. Ich bin allein auf dem Planeten.

Gottes Tischfeuerwerk
    Bei uns wird Silvester noch seinem Namen gerecht. Langweiliger kann es beim Papst Silvester am letzten Tag des Jahres auch nicht zugegangen sein. Der ist nicht umsonst am nämlichen Datum gestorben. Vermutlich, weil wieder nix los war. Sein Sterben – ein letzter Versuch, dem Jahresausklang anno 335 doch noch etwas Pep zu verleihen. Ich kann das nachfühlen.
    Denn obwohl das Jahresende auch für so ziel-, missions- und absichtslos dahinwohnende Subjekte wie mich ein beträchtliches Maß an Absehbarkeit bereithält, werde ich alljährlich so etwa Mitte Oktober von der Frage «Was macht ihr eigentlich Silvester?» komplett geplättet und um mein selbstbestimmtes Silvester gebracht. Sehr weit vorausplanende Menschen stellen diese Frage sehr weit im Voraus, und die Antwort darauf erfreut sich nicht sonderlich vieler Alternativen. Heuchelt man Unentschlossenheit und feiert später fremd, überzieht eine Kaltzeit das Beziehungsgeflecht. Denn Freunde mögen es gar nicht, wenn man ihren Unterhaltungswert in fein abgestuften Ranglisten tiefer platziert. Da sagt man lieber zu, auch wenn einem das nicht zusagt.
    Auch dies ein Fehler. Denn sehr weit vorausplanende Menschen feiern immer sehr verantwortungsvoll und bedrückend rauscharm, nicht zuletzt wegen der anwesenden Kinder, die Silvester vor Mitternacht ins Bett zu schicken ja heutzutage als meldepflichtige Gewalttat gehandelt wird. Es gibt dann also Bowle mit wenigerAlkohol als in Erfrischungstüchern und Höhepunkte wie Luftschlangenausblasen und Tischfeuerwerke, die – nach einem Moment fahler Hoffnung   – Winnie-der-Pu-Puzzles aushusten. Punkt zwölf ein Sektchen, und dann drücken sich alle herzlich. Dazu hat meine Mutter mich aber nicht unter Schmerzen geboren!
    Silvester will ich meinen guten Ruf ablegen wie einen alten Hut. Ich will in einer Badewanne fettiger Flips und Chips sitzen, mit Buddeln und Bouteillen an meinen Seiten, deren Inhalt mir egal sei, solange er nur recht ordentlich zu Wein vergoren und zu Sprit gebrannt ward. Ich will meine speckige Chipshand juchzenden und kreischenden Tanzmäusen oder nach Belieben auch -wachteln auf den Rücken patschen und sie zu üblem Schlagerrums stampfend hin- und herschwenken, als seien sie Teddybären mit verklemmter Brumme. Ich will Unfug krakeelen und gute Bekannte als «ausgemachte Sauhunde und Lumpen» anpöbeln. Ich will nach Mitternacht glücklich lallend mit zersprengter Hose und angesengtem Bart von ebenfalls delirierenden Freunden in die Notfallaufnahme geschleift werden, aber nur, um dort immer wieder in unbemerkten Momenten von der Pritsche zu hüpfen und hinter dem Rücken des schon einfädelnden Chirurgen irgendwelche Phiolen und Flakons aus dem offenen Rotkreuzschränkchen auszusaufen.
    «Ich hab dich noch nie betrunken gesehen», sagte mein Sohn, als wir in der Kaufhalle die zwei lächerlichen Flaschen Grauburgunder neben die Sparpackung Knallerbsen taten. «Wenn man seinen Vater noch nie betrunken gesehen hat, hat man gar keinen Vater, sondern nur einen Erziehungsberechtigten», sagte ich weise, während um mich herum alle hastig nach dem Kugelschreiberin der Jacke tasteten, um sich das Bonmot zu notieren. «Ich hab mich übrigens auch noch nie so richtig betrunken gesehen», tröstete ich meinen Stammhalter, «die Spiegel hängen irgendwie immer zu hoch.»

Pechsträhnchen
    Selten geschieht es, dass ich nach Hause komme und jemanden in der Küche sitzen sehe. Meistens kommt jemand nach Hause und sieht mich in der Küche sitzen. (Der Grund ist bedrückend unkomplex für einen Dichter: Ich halte mich einfach gerne in der Nähe von Lebensmitteln auf.) Diesmal aber hockten gleich drei Frauen in unserer Küche und hielten einander voll Mitgefühl die Hände. «Tach, Frau», begrüßte ich die meine mit der schnörkellosen Herzlichkeit schon länger bekannter Partner und wandte mich dann an die betroffen dreinschauenden Freundinnen: «Was’n mit euch los?» «Er sieht es nicht einmal!», schrie die eine auf und warf ihr Gesicht in die Hände, während mich die andere bitter fragte: «Fällt dir denn nichts an Suse auf?» Ich warf einen Blick auf Suse, deren Antlitz langsam und wehklagend aus den Händen wiederauftauchte.
    «Sie wirkt irgendwie

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