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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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Hochsicherheitsraum von «Mission Impossible I» ist eher was für Anfänger. Mein Freund Michi hingegen schaffte es tatsächlich, sich in einer gleichsam mongolischen Schlangenmenschenrückenwelle geräuschlos von der sonst knarzenden Rostfederkernmatratze zu erheben, im sehnendehnenden Ausfallschritt über acht sonst knackende Dielen zu grätschen, dann nach vorn auf die Schwelle in den Liegestütz zu fallen und sich schräg durch den Türspalt zu ziehen, und das alles, ohne dass seine dreijährige Tochter aufwachte. «Respekt!», flüsterte ich auf Socken und reichte ihm ein Bier. «Das ist noch gar nichts», sagte Michi, «ich leg mich ja nachher genauso wieder neben sie.» Wir fläzten uns quer in die Sessel und gluckerten ein paar Minuten bedeutungsfrei mit den Bierflaschen.
    Unsere Frauen waren beim «Weiberabend», was vom Beachvolleyball mit einem Trupp hormonell völlig aus dem Ruder gelaufener Sportstudenten über hemmungslosen Gemischtsaunenbesuch bis zu vom Christlichen Verein junger Frauen nicht ausdrücklich empfohlener Erlebnisgastronomie reichen konnte. Michi und ich hüteten das Haus und die Kinder und murmelten ein bisschen was von Arbeit unter Verwendung der liturgischen Begriffe «Riesenstress», «Maloche» und «bis hier oben hin».
    Doch dann setzte sich Michi auf und sagte: «Ich weiß eigentlich nichts von dir.» «Das ist das Geheimnis aller Freundschaft», entgegnete ich bierselig undweise, doch Michi meinte es anders. «Alles, was ich von dir weiß, weiß ich von meiner Frau, und die weiß es von deiner Frau.» Ich setzte mich auch auf, und wir sahen uns eine Weile ziemlich aufgesetzt, aber vor allem scharf an. «Du hast dir oben am Rücken die Haare entfernen lassen», platzte Michi heraus. «Du hast nachts den Notarzt wegen eines Herzinfarkts holen lassen, und am Ende waren es nur Blähungen», konterte ich.
    Zwei Wahrheiten. Es stimmte also. Wir wurden erörtert. Von den eigenen Frauen. «Warum machen die so was?», fragte Michi. «Frauen kichern gerne», warf ich ihm eine brillante physiologische Theorie hin, «beim Kichern kontrahieren die Stimmlippen zusammen mit dem Bodenbeckenmuskel. Deswegen reden Frauen immer über Themen, über die sich kichern lässt.» Michi stöhnte. «Wer untersucht denn so was? Die Fraunhofer-Institute?» «Ich hatte mal eine böse Schleimbeutelentzündung, wusstest du das?» «Nö.» «Siehst du, über Schleimbeutelentzündung kann man nicht kichern.»
    Michi setzte sich, nur mäßig überzeugt, zwei Kronkorken auf die Augen, was ihn deutlich weniger überarbeitet aussehen ließ, und meinte nach einer Weile im Dunkeln: «Nein, nein. Frauen hecheln ihre Männer durch, weil sie glauben, das muss so sein. Sie meinen wahrscheinlich, auch Männer würden über ihre Frauen lästern, wenn sie um die Häuser ziehen.» Ich setzte mir ebenfalls zwei Kronkorken ein und sagte: «Wüsste nicht, wie sie darauf kommen. Männer ziehen schon lange nicht mehr um die Häuser.» Wir schlugen, blind vor Kronkorken, unsere Bierflaschen gegeneinander, wie es sonst nur Männer aus dem harten Baugewerbe tun, und tranken melancholisch vor uns hin, bis unsere Frauen ins Zimmer kamen und   … kicherten.

Wie im Schmuddelfilm
    Er hat zu große Hände, zu große Füße, trägt eine zu kurze Hose, ein zu kurzes Hemd und versucht gerade, seinen linken Fuß in einen schon längst zu kleinen, trägerweise aber auch noch zugeschnürt gebliebenen Leinenturnschuh hineinzutreten. Klappt aber nicht richtig. Draußen weht der Schneesturm alte Frauen über die Straße. «Wo willst du hin, Pinocchio?», rufe ich aus der Küche, und mein Sohn antwortet stöhnend: «Zur Schule.» «Aber nicht in dem Aufzug, junger Mann!», schnarrt der Obrist in mir in die Diele. «So gehst du mir nicht aus dem Haus!»
    Allein für den Satz hat sich das Kindermachen schon gelohnt. Aber der Sohn bleibt unbeeindruckt. «Ich habe keine anderen Sachen mehr», stöhnt er, «die sind alle zu kurz.» Da ich jetzt kaum nassforsch «Wachstum sofort einstellen!» hinterdreinschnauzen kann, verkünde ich huldvoll einen Beschluss zum nachschulischen Kleiderkauf. Der Sohn stöhnt nochmal.
    Rein akustisch ähnelt die Pubertät meines Sohnes einem billig synchronisierten Schmuddelfilm. Es wird von morgens bis abends gestöhnt. Eine weitere Parallele ist, dass hier wie dort die Sachen abgeworfen werden, wo man gerade steht, geht oder umfällt. Pubis markieren ihren Weg durch die Wohnung mit kleinen Kleiderhäufchen. Die

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