Ich kenne dein Geheimnis
erklärt.
Das hatte Santanna nun doch beeindruckt. Sein derzeitiger Stress hatte einen Namen: Enzino Pelori. Der Verlust dieses einflussreichen
Mannes wog schwer, er hatte den Schlag noch nicht verdaut. Wenn die Einnahmen nicht den Erwartungen entsprechen würden, denn
wäre er der Erste, der die Konsequenzen zu spüren bekäme, das wusste er sehr genau. So viele Jahre hatte er sich abgerackert,
ein ständiger Ritt auf der Rasierklinge, nur um das Vertrauen der Bosse zu erlangen.
Und jetzt ließ ihn auch noch seine Gesundheit im Stich. Das konnte er sich nicht erlauben. Er hatte beschlossen, eine Woche
auszuspannen und sich in seine kleine Villa am Meer in Mondello zurückzuziehen. Dort würde er strenge Diät halten, ein bisschen
weniger rauchen, oder es zumindest versuchen, und vor allem nachdenken. Er brauchte eine Strategie. Jetzt, wo Pelori endgültig
aus dem Spiel war, musste er sich etwas Neues überlegen, damit die Rechnung aufging. Er sah wieder auf das Foto: Die Mangano
mit entblößter Brust, De Gubertis mit offenem Mund und Pelori, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
Wie immer kam Sara Pirallo, um ihm das Tor der Villa am Meer zu öffnen. Die ehemalige Prostituierte stand seit zwanzig Jahren
in seinen Diensten. Fleißig, diskret und eher schüchtern, umsorgte sie ihn wie eine Mutter, wann immer er nach Mondello kam.
Nachdem sie erfahren hatte, dass Santanna an einem Magengeschwür litt, hatte sie ihre Einkaufsliste umgestellt. Alles, was
ihm schaden konnte, wurde gestrichen. Gesund und schmackhaft war jetzt die Devise. Santanna konnte sich auf sie verlassen.
Die Treue und die Verschwiegenheit |285| seiner Leute erkaufte sich Santanna mit Geld, aber auch mit Druck: Er baute auf ihre Angst und nicht auf ihre Dankbarkeit.
Santanna war kaum im Haus, schon gab er Anweisungen: »Das Mittagessen, ein heißes Bad und alle Tageszeitungen von heute.«
Während er darauf wartete, dass die Minestrone etwas abkühlte, blätterte er die Zeitungen durch, auch wenn er wusste, dass
ihm das nicht guttun würde. Schlechte Nachrichten waren Gift für seinen Magen. In einigen Blättern war die Schlägerei zwischen
De Gubertis und Pelori noch immer ein Thema. Als er die Schlagzeile der Samstagsbeilage des Corriere las, durchzuckte ihn
ein starker Schmerz am Mageneingang. Das anhaltende Interesse der Öffentlichkeit am ausschweifenden Sexleben des Abgeordneten
Pelori brachte die Familie ins Gerede, das war gefährlich. Und das alles wegen einer Frau! Alles nur wegen dieser Hure! Tief
unten in seinem Rachen schien ein Feuer zu lodern. Um den brennenden Schmerz zu lindern, aß er ein Stück trockenes Brot. Seine
Gedanken begannen zu kreisen, sie waren nicht mehr aufzuhalten. Er dachte an die teuer erkauften Stimmen für Pelori und das
unschöne Gespräch mit Smeralda. Unter Tränen hatte sie ihm versichert, dass sie für die Eskalation des Streits zwischen Pelori
und De Gubertis nichts konnte; sie hatte auf alles geschworen, was ihr heilig war. Und Vituzzu wusste nur zu gut, was das
war. Schließlich, so hatte sie ihm entgegengeschleudert, hatte auch sie dank dieser beiden Widerlinge nicht nur ihr Gesicht,
sondern wahrscheinlich auch den Job verloren. Doch Smeraldas Schicksal interessierte ihn nicht. Er hatte nur eines im Sinn:
Wie ließ sich das Problem lösen, ohne dass er selbst ins Fadenkreuz geriet? Ihm fiel nicht einmal auf, dass Smeralda einfach
aufgelegt hatte. |286| »Schlampe«, hatte er geschimpft und das Handy in seine Tasche gleiten lassen.
»Frauen! Allesamt Schlampen«, murmelte er und tauchte den Löffel in die Suppe. »Aber nicht mit Vituzzu Santanna.« Die beiden
Frauen, die sich ihm zuletzt widersetzt und ihn hinters Licht hatten führen wollen, hatten ihren kurzen Erfolg mit dem Leben
bezahlt. Mit Smeralda jedoch hatte er andere Pläne. Mit ihr wollte er weiter Katz und Maus spielen. Er hatte sie lange unter
Kontrolle halten können, weil er ihr Geheimnis kannte und sie damit erpressen konnte. Doch jetzt schien sich das Blatt zu
wenden, immer mehr alte Leichen kamen ans Tageslicht. Santanna hatte bereits über eine neue Strategie nachgedacht, um die
Zügel in der Hand zu behalten. Er kannte eine schwerreiche Person, die alles für Smeralda Manganos Geheimnis zahlen würde.
Da war der Verlust des Abgeordneten Pelori leicht zu verschmerzen.
Chiaras Zug war pünktlich. Sie bedauerte es, Mailand den Rücken zu kehren: Mit Silvia an
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