Ich klage an
(genaue Vereinbarungen, Steuerung, Koordination sowie Gespräche und Diskussionen in der jeweiligen Gemeinschaft), garantiert jedoch noch nicht, daß die Eltern der Mädchen, für die ein Verstümmelungsrisiko besteht, das Gesetz auch einhalten.
Sollte das Kabinett in seiner spätestens für den l. April 2004 angekündigten Stellungnahme kein effektives Rechtspflegeverfahren empfehlen, bedeutet das im Grunde die Fortsetzung der Duldungspolitik in bezug auf eine schwere Straftat.
Das derzeitige Kabinett unter der Führung von Jan Peter Balkenende ist außerdem gehalten, ein Kontrollverfahren zu entwickeln, weil Sicherheit und Rechtspflege in der Regierungsvereinbarung eine Vorrangstellung einnehmen. Im Haushaltsentwurf des Justizministeriums für das Jahr 2004 steht: »Ein wichtiges Element für die Gewährleistung von Sicherheit ist die Tatsache, daß die Gesetze beachtet werden, was die Mehrheit der Bürger in der Regel auch tut.« Und weiter: »Die festgestellten Mängel bei der Rechtspflege sind in den nächsten Jahren weiter zu beheben.« Außerdem mißt das Kabinett in seinem Sicherheitsprogramm der Ermittlung in Fällen sehr schwerer Straftaten sowie der »Konzentration der Aufmerksamkeit auf die Opfer von Straftaten mit großer Tragweite« große Bedeutung bei.
Die genitale Verstümmelung zählt zu der Kategorie »sehr schwere Straftaten« und ist für das Opfer von großer Tragweite. Die Folgen von genitaler Verstümmelung wie Infibulation und Zirkumzision sind der Regierung bekannt. In der Studie der Freien Universität Amsterdam werden diese Folgen aufgezählt: »Schock, Blutungen, Fisteln, in einer späteren Phase genitale Komplikationen im Bereich der Harnwege und des Geburtskanals sowie psychische, psychosomatische und psychosoziale Auswirkungen auf das Leben junger Mädchen und Frauen. (...) Nach dem Eingriff werden die Mädchen introvertiert und still; sie ziehen sich in sich selbst zurück und weisen Verhaltensstörungen wie Eßprobleme und Ängste auf.« Darüber hinaus kann eine genitale Verstümmelung zu einem »posttraumatischen Streß-Syndrom infolge von Gefühlen der Machtlosigkeit des Mädchens führen. Außerdem haben wir folgende Symptome konstatiert: Verlust der Kontrolle, Mangel an Anerkennung, Wissenslücken und starkes Schmerzempfinden.«
Bietet das Gesetz Möglichkeiten zur Einführung eines Kon-trollverfahrens?
Artikel 11 des niederländischen Grundgesetzes bestimmt, daß jeder Mensch das Recht auf die Unversehrtheit der Person hat. Diese gesetzliche Bestimmung ist die »kleine Schwester« des Artikels 10 des Grundgesetzes, der bestimmt, daß jeder Mensch das Recht auf den Schutz seiner Privatsphäre hat. Beide Bestimmungen sind für unseren Vorschlag von großer Bedeutung. Sie sind das Pendant zu den völkerrechtlichen Bestimmungen in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EiMRK) sowie in Artikel 17 des am
16.12.1966 von der UNO-Generalversammlung verabschiedeten Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPR).
Ein häufig geäußerter Einwand gegen die Initiative der
VVD-Fraktion in der Frage eines Kontrollverfahrens zur Bekämpfung der genitalen Verstümmelung ist die Behauptung, eine vorgeschriebene Kontrolle sei eine ärztliche Maßnahme, die einen Verstoß gegen die Unversehrtheit der Person sowie gegen das Privatleben darstelle (sogar bei einem Abstrich mit einem Wattestäbchen in der Mundhöhle handele es sich bereits um solch eine ärztliche Maßnahme).
Aber vor allem in Artikel 8 Absatz 2 der EMRK wird beschrieben, unter welchen Bedingungen und auf welche Weise eine Behörde auf gesetzlicher Grundlage in die Grundrechte des einzelnen eingreifen darf. Sie muß dafür allerdings hinreichende Verdachtsmomente haben, andernfalls hätte es auch keinen Sinn, Grundrechte zu verankern. Gemäß der EMRK darf der Staat in mehreren Fällen in die Grundrechte eingreifen. Im einzelnen handelt es sich dabei um die nationale oder öffentliche Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die Verhütung von Straftaten, den Schutz der Gesundheit oder der Moral und den Schutz der Rechte anderer.
Artikel 8 Absatz 2 sieht also vor, daß eine Behörde eingreifen darf, falls dies zur Verhütung einer Straftat notwendig ist. Eine genitale Verstümmelung ist eine Straftat (eine vorsätzliche schwere Körperverletzung). Diese Ausnahmeregelung halte ich somit für die geeignete Möglichkeit. Die EMRK
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