Ich klage an
kriminelle Tat, sondern als einen Akt der Liebe, als elterliche Pflicht gegenüber dem Mädchen und der eigenen Gemeinschaft.
In der Frage einer eventuellen Stigmatisierung der Eltern muß die Regierung die Interessen der Beteiligten gegeneinander abwägen: den möglichen Eingriff in das Privatleben der Eltern gegen die Unversehrtheit des Kindes. Angesichts der Schwere der genitalen Verstümmelung hat sich die VVD für den Schutz des Kindes entschieden. Selbstverständlich sind die für das Kontrollverfahren zuständigen Organe wie der Städtische Gesundheitsdienst GGD gehalten, mit allen personenbezogenen Daten der Eltern und der Kinder sorgfältig umzugehen.
Durch die feierliche Ächtung der genitalen Verstümmelung als einer die Menschenwürde verletzenden Praxis allein läßt sich das Problem nicht aus der Welt schaffen. Die präventive Wirkung von Aufklärung und Bildung ist aufgrund des verborgenen Charakters und der Zählebigkeit dieser Tradition sehr begrenzt und praktisch nicht nachweisbar. Der Druck der Verwandten aus den Herkunftsländern (geographische Grenzen sind kein Hindernis für Familienbande) ist zu nachhaltig, als daß diese Praxis durch Aufklärung und Bildung ausgerottet werden könnte. Dabei ist das Argument, daß diese Tradition langfristig aussterben und in den Niederlanden nicht mehr länger Vorkommen werde, weil sie gesetzlich verboten sei, alles andere als stichhaltig.
Die VVD will ein Kontrollverfahren zur Verhütung der Mädchenbeschneidung in den Niederlanden einführen. Sie fordert die Regierung auf, die folgenden Schritte in die Wege zu leiten:
In Zusammenarbeit mit Amnesty International und den Vereinten Nationen ist eine Liste der Risikoländer zu erstellen.
Für Kinder, die aus diesen Risikoländern stammen, ist eine Reihenuntersuchung einzuführen.
Es sind zwei Listen zu erstellen. In die eine (Liste A) werden die Namen der Mädchen eingetragen, die bereits verstümmelt sind, in die andere (Liste B) die Namen derjenigen, die noch nicht verstümmelt sind. Neugeborene Töchter werden automatisch in Liste B aufgenommen.
Die Mädchen der Liste A werden im Bedarfsfall medizinisch und psychologisch betreut.
Die Eltern der Mädchen der Liste B werden bis zum achtzehnten Geburtstag der Kinder alljährlich aufgefordert, ihre Töchter einer gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolle unterziehen zu lassen.
Neue Zuwanderer aus den Risikoländem erhalten automatisch eine Vorladung.
Die Kontrolle ist dem Städtischen Gesundheitsdienst GGD zu übertragen. Sollte sich zeigen, daß ein Mädchen der Liste B verstümmelt ist, wird dies dem Jugendamt gemeldet. Das Jugendamt leitet gegebenenfalls ein Ermittlungsverfahren gegen die Eltern ein.
Bis zum 1 . April 2004 sollte die Regierung Balkenende ihren Standpunkt dazu darlegen, wie sich die Beschneidung von Mädchen am besten verhüten läßt.
Das empfohlene Kontrollverfahren ist nicht perfekt, garantiert aber die bestmöglichen Ergebnisse, wenn es um die Anwendung und Durchsetzung des geltenden Rechts und um das Unterbinden dieser grausamen Praxis geht. Darüber hinaus ist es für Eltern und Vormünder transparent; sie wissen genau, woran sie damit sind. Es gibt zwei positive Nebeneffekte: Zum einen können Aufklärung und Bildung in effizienter und maßgeschneiderter Weise angeboten werden, und zum anderen können wir in den Niederlanden mit diesem Modell eine Vorbildfunktion für ganz Europa und den Rest der Welt übernehmen, um so die genitale Verstümmelung von allen Kontinenten zu verbannen.
Nachtrag: Stand der Dinge im Juli 2004
Nach langen Debatten über die Vor- und Nachteile von Kontrollen habe ich dank der sozialdemokratischen Arbeitspartei PvdA, die eine Form regelmäßiger Kontrollen befürwortet, eine Mehrheit im Parlament gefunden. Obwohl die gesamte Fraktion der Sozialdemokraten zugestimmt hat, war vor allem die Rolle der PvdA-Abgeordneten Ella Kalsbeek von ausschlaggebender Bedeutung. Welche Behörde für die Kontrollen zuständig sein wird und in welchen Zeitabständen die Mädchen kontrolliert werden sollen, sind Details, die später geklärt werden können. Gesundheitsminister Hans Hooger-vorst hat nicht nur von Anfang an seine Abscheu gegen die Praxis der genitalen Verstümmelung von Mädchen zum Ausdruck gebracht, sondern sich auch bereit erklärt, schnellstmöglich ein Kontrollverfahren einzuführen. Am 23. April 2004 hat er in einem Schreiben an das Parlament die genitale Verstümmelung als eine spezifische Form der
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