Ich klage an
bemerkbar.
Genitale Verstümmelungen dürfen nicht geduldet werden
Die genitale Verstümmelung 1 von Mädchen ist weltweit die am meisten unterschätzte Verletzung der Menschenrechte und der Rechte der Frau zugleich. Berichten von Amnesty International aus dem Jahr 2002 zufolge sind 100 bis 140 Millionen Mädchen und Frauen ihrer Geschlechtsteile beraubt. Die internationale Gemeinschaft steht so sehr unter dem Eindruck der Folgen der Verbreitung von AIDS, daß sie die Augen vor der furchtbaren Praxis der genitalen Verstümmelung junger Frauen verschließt. Der niederländische Urologe Hans de Wall sah im Rahmen seiner Tätigkeit in Ghana, zu welch scheußlichen Komplikationen eine Beschneidung auch noch Jahre nach dem Eingriff führen kann. Einmal kam eine völlig verzweifelte 26jährige Frau zu ihm, die im Alter von zehn Jahren mit Glasscherben beschnitten worden war. Die Frau verlor seit der Geburt eines toten Kindes ständig Urin und Stuhl infolge von Fisteln. 2
Wie bei anderen Formen von Gewalt gegen Frauen bleibt es im Kampf gegen die genitale Verstümmelung bei Verurteilungen, UNO-Resolutionen und anderen Papierwaffen. Konkrete Schritte, die zur Einstellung dieser Praxis führen würden, sind noch lange nicht in Sicht. In armen Ländern, so wurde stets argumentiert, würde das Problem durch eine entsprechende
Aufklärung und den sozialen Fortschritt mit der Zeit von selbst verschwinden. Andere Probleme wie Armut, Krieg, Naturkatastrophen und AIDS genießen aufgrund ihrer akuten kollektiven Auswirkungen in diesen Ländern eine höhere Priorität.
Auch in reichen Ländern, in denen die allgemeine Aufmerksamkeit nicht von derartigen Katastrophen in Anspruch genommen wird, läßt sich infolge der Zuwanderung das Phänomen der genitalen Verstümmelung inzwischen beobachten. Zunächst war die Öffentlichkeit schockiert; in den Niederlanden beispielsweise wurde diese Praxis sofort moralisch verurteilt und unter Strafe gestellt. Das bedeutet allerdings noch nicht, daß aus Afrika oder aus Teilen Asiens stammende Eltern ihre Töchter in den Niederlanden oder in anderen Ländern Europas nicht mehr verstümmeln. Auch die Behörden sind darüber informiert, daß diese Eltern ihre Töchter in die alte Heimat mitnehmen, um die rituelle Verstümmelung dort vornehmen zu lassen. Es gibt keine Entschuldigung, diese Praxis zu dulden.
In dem vom Medizinischen Zentrum der Freien Universität Amsterdam im Oktober 2003 herausgegebenen Bericht »Strategien zur Unterbindung der Beschneidung bei Mädchen. Bestandsaufnahme und Empfehlungen« wird argumentiert-, daß der Schwerpunkt des Vorgehens gegen die Frauenbeschneidung auf vorbeugenden Maßnahmen und Aufklärung liegen müsse und rechtliche Maßnahmen nur zur Unterstützung herangezogen werden sollten. Der Meinung der VVD-Fraktion im niederländischen Parlament zufolge genießt jedoch - in Anbetracht der Schwere des Verbrechens und der weitreichenden Folgen für die Opfer - die Anwendung und Durchsetzung des geltenden Rechts oberste Priorität. Aus diesem Grund treten wir für die Einführung eines Kontrollver-fahrens ein, mit dem die Beschneidung von Frauen verhindert werden muß. Mädchen aus sogenannten Risikoländern müssen einmal im Jahr auf eine mögliche Beschneidung hin kontrolliert werden.
Die aktuelle Diskussion über die Bekämpfung der genitalen Verstümmelung ist irreführend. Es gibt Menschen, die dafür eintreten, die genitale Verstümmelung als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufzunehmen. Damit erwecken sie den Eindruck, die genitale Verstümmelung stünde zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht unter Strafe. Andere hingegen betonen die Notwendigkeit des »Enttabuisierens« von Verstümmelungen innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft, und wieder andere halten eine entsprechende Aufklärung für den besten Weg.
Das alles ist gutgemeint, aber unseres Erachtens ist die Bekämpfung der genitalen Verstümmelung in den Niederlanden in erster Linie eine Frage der Anwendung und Durchsetzung des geltenden Rechts. Die genitale Verstümmelung ist schließlich ein Fall von vorsätzlicher schwerer Körperverletzung und zudem von unbefugter Ausübung der Heilkunst.
Dem niederländischen »Gesetz über die verschiedenen Berufe im individuellen Gesundheitswesen« zufolge können die Handlungen von Ärzten, die eine Beschneidung entweder selbst durchgeführt oder sich daran beteiligt haben, der zuständigen ärztlichen Aufsichtsbehörde zur Beurteilung vorgelegt werden.
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