Ich klage an
ein General auf dem Schlachtfeld läßt er tobend jede seiner Launen an mir aus, droht, nie mehr das Bett mit mir zu teilen, und läßt mich Nacht für Nacht allein.
Ich vermute, er geht zu einer anderen Frau,
Wa ge aber nicht, ihn danach zu fragen.
Und obwohl Verwandte und Freunde flüsternd von ihm und
der anderen erzählen,
findet er nach seiner Rückkehr
minier wieder einen Grund, an meiner Treue zu zweifeln.
Nach einer Reihe von Drohungen und Warnungen beginnt er mich zu schlagen.
Erst ganz leicht auf Arme und Beine, genau wie Du, Allerhöchster, es in Deiner Heiligen Schrift beschreibst -ahhhuh - oder soll ich sagen, vorschreibst?
Meist aber ins Gesicht.
Und warum?
Weil ich seine Befehle nicht schnell genug ausführe,
weil ich das falsche Hemd bügele,
weil ich das Essen nicht genug salze,
weil ich zu lange mit meiner Schwester am Telefon
plaudere.
Oh Gott, Erhabener, Unterwerfung unter Deinen Willen sichert mir ein besseres Leben im Jenseits.
Aber ich habe das Gefühl, daß der Preis, den ich dafür zahle, daß mein Mann mich beschützt und unterhält, zu hoch ist.
Ich frage mich, wie lange ich mich noch unterwerfe.
Amina spricht den nachfolgenden Text, der sich auf das Schicksal einer fiktiven Frau namens Fatima bezieht. Währenddessen schwenkt die Kamera langsam von Amina zu Fatima. Wir sehen eine völlig verschleierte, sitzende Frau mit einem Gitter vor den Augen, als würde sie durch ein Fenster nach draußen schauen. Durch den lockeren Fall des Tschadors sieht man die Umrisse eines Frauenkörpers. Auf dem Schleier ist in weißer Druckschrift ein Ausschnitt aus Vers 31 der vierundzwanzigsten Sure (an-nür oder »Das Licht«) zu lesen.
Aminas Text:
Oh Allah, Gnädiger und Barmherziger.
Wie Du es von der gläubigen Frau verlangst, schlage ich die Augen nieder und bin demütig.
Nie zeige ich meine Schönheit und meinen Schmuck, noch nicht einmal Gesicht oder Hände.
Nie wackle ich mit den Füßen, um die Aufmerksamkeit
auf meinen verborgenen Schmuck zu lenken, nicht einmal auf
Festen.
Ich gehe nur aus dem Haus, wenn es wirklich unumgänglich ist, und nur, wenn mein Vater zustimmt.
Wenn ich das Haus verlasse, schlage ich den Schleier über meinen Busen, wie du es verlangst.
Manchmal sündige ich. Ich phantasiere dann, daß ich den Wind in den Haaren fühle oder die Sonne auf meiner Haut, vielleicht am Strand. Ich träume von einer Weltreise und sehe dann all die Orte und Menschen vor mir. Natürlich werde ich diese Orte nie sehen und nie viele Menschen treffen, weil es wichtig ist, demütig zu sein, um Dir, oh Allah, zu gefallen. Also tue ich mit Freuden, was Du von mir verlangst, und verhülle meinen Körper vom Kopf bis zu den Zehen, außer wenn ich zu Hause und mit meinen Verwandten zusammen bin. Im allgemeinen bin ich glücklich mit meinem Leben.
Aber es hat sich etwas verändert, seit Hakim, der Bruder meines Vaters, bei uns wohnt.
Hakim wartet, bis ich allein zu Hause bin, und kommt in mein Zimmer.
Ich muß dann Dinge mit ihm machen, ihn an den intimsten Stellen berühren.
Seit er hier ist, trage ich auch im Haus den Schleier, um ihn abzuschrecken.
Aber das hält ihn auch nicht ab.
Zweimal hat er mir schon den Schleier und die Kleider heruntergerissen und mich vergewaltigt.
Als ich meiner Mutter davon erzählte, wollte sie mit meinem Vater darüber reden.
Mein Vater untersagte ihr - und mir -, die Ehre seines Bruders anzuzweifeln.
Jedesmal, wenn mein Onkel zu mir kommt, leide ich Schmerzen.
Ich fühle mich eingesperrt wie ein Tier, das geschlachtet werden soll.
Ich fühle mich schuldig und schäme mich.
Und ich fühle mich verlassen, obwohl ich inmitten meiner Verwandten und Freunde bin.
Oh Allah, Hakim ist weg, jetzt, wo er weiß, daß ich schwanger bin.
Vorläufig kann ich meinen Bauch noch unter dem Schleier verbergen, aber früher oder später wird er jemandem auffallen. Mein Vater wird mich öffentlich verstoßen und mich töten, weil ich keine Jungfrau mehr bin.
Wenn ich daran denke, überlege ich mir, ob ich mir das Leben nehmen soll. Doch ich weiß, daß Selbstmörder im Jenseits nicht auf Deine Gnade zählen können.
Oh Allah, der Du das Leben gibst und wieder nimmst.
Du spornst alle Gläubigen an, sich Dir zuzuwenden, damit ihnen das Glück zuteil wird.
Mein Leben lang habe ich nichts anderes getan, als mich Dir zuzuwenden.
Und jetzt, da ich unter meinem Schleier um Erlösung bete, schweigst Du wie das Grab, nach dem ich mich sehne.
Ich frage
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