Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
überhaupt den Gedanken an einen Mann gestattete, dann nicht so. Sie wollte erobert werden, nicht verkuppelt. Später natürlich. In zwei oder drei Jahren vielleicht.
Trotzig zog sie den Gürtel ihres Bademantels zu. »Ich … ich fühle mich sowieso nicht besonders heute.«
Ela erhob sich. Sie trug ein glänzendes smaragdgrünes Kleid, dessen geraffter Stoff ihre schlanke Figur zur Geltung brachte.Ihre nackten Füße steckten in grünen Sandaletten mit Strassbesatz, das rote Haar leuchtete wie ein Feuermelder.
Aufgebracht stemmte sie die Arme in die Hüften. »Schatzi, ich sehe mir das nicht länger an. Du gehst hier ein wie eine Primel in der Wüste. Würde mich nicht wundern, wenn du inzwischen Spinnweben an den Beinen hättest. Wie lange willst du dich denn noch einbunkern? Bis du mumifiziert bist?«
Vivi zuckte mit den Schultern. »Okay, ich komme mit. Aber nur eine Stunde. Mir ist so flau, ich glaube, ich muss drei Espresso trinken, um überhaupt zu Bewusstsein zu kommen.«
»Du solltest es vielleicht mal mit Atmen probieren«, zischte Ela. »Wie kann man nur so verpeilt sein!«
Eine halbe Stunde später saßen sie in Elas Cabrio und ließen sich den Wind um die Nase wehen. Vivi hatte gegen den Widerstand ihrer Freundin ein hochgeschlossenes schwarzes Etuikleid gewählt. Ihr Haar war zu einem braven Knoten aufgesteckt, sie war fast ungeschminkt. Um nichts in der Welt wollte sie aussehen wie ein wandelndes Flirtangebot.
»Und? Was macht die liebe Familie von Werner?«, erkundigte sich Ela, während sie mit Vollgas eine rote Ampel überfuhr. Sie nannte es Dunkelgelb.
»Das Gute an dem Altersunterschied ist, dass sich das Schwiegermutterthema erledigt hat«, antwortete Vivi. »Nur die Kinder stressen. Haben das Testament angefochten und bombardieren mich mit irgendwelchen Anwaltsschreiben. Zum Glück ist Berthold Seitz an meiner Seite, er erledigt den ganzen Papierkram. Ein echter Gentleman.«
Ela bog in eine kleine Nebenstraße ein. »Pass auf, dass derTyp dich nicht um den Finger wickelt. Ohne Knete keine Fete. Du bist jetzt eine gute Partie.«
So hatte es Vivi noch gar nicht gesehen. Wie angeschweißt saß sie auf ihrem Sitz. Eine gute Partie? Sie wollte erwidern, dass Berthold Seitz, verglichen mit ihr, ein geradezu absurd reicher Mann war. Doch Ela hatte schon eingeparkt und stieg aus, während Vivi noch ihren Gedanken nachhing.
»Komm schon«, rief Ela, die inzwischen den Wagen umrundet hatte und die Beifahrertür aufriss. »Let’s fetz!«
Es kostete Vivi ihren letzten Rest Willenskraft, um auszusteigen. Außer zum Einkaufen und für die Anwaltsbesuche war sie seit Wochen nicht mehr aus dem Haus gewesen. Und jetzt gleich ein Date? Mit – Richard? Trotz der sommerlichen Temperaturen spürte sie eine Gänsehaut, als sie Ela folgte.
Hugos Bar war die Sorte Lokal, in dem man sich auf Anhieb wohlfühlte. Die ochsenblutrot gestrichenen Wände und das gedämpfte Licht, das durch Holzjalousien auf Ledersessel und niedrige Marmortische fiel, gaben dem Ganzen die Atmosphäre einer gemütlichen Wohnhöhle. Über der Bar hing ein Flatscreen, auf dem leise ein Nachrichtensender lief.
Ela war hier wie zu Hause, auch wenn sie nur sporadisch hereinschneite. Lässig nickte sie dem Barkeeper zu, der hinter dem Tresen Gläser polierte.
»Zweimal wie immer«, bestellte sie.
»Keinen Alkohol«, sagte Vivi warnend, »es ist erst früher Nachmittag! Für mich nur einen doppelten Espresso.«
Doch Ela ließ sich nicht beirren. »Dies ist keine Kaffeefahrt. Und Werner wird auch nicht wieder lebendig, wenn du dich kasteist.«
Die beiden Freundinnen hatten sich kaum gesetzt, als zwei große Gläser Aperol Spritz mit Eiswürfeln vor ihnen standen.
»Auf dich«, prostete Ela Vivi zu. »Willkommen im Leben!«
Während sie tranken, regte sich ein seltsames Kribbeln in Vivis Sonnengeflecht. Auf einmal fühlte sie sich wieder wie damals, als sie Ela kennengelernt hatte. Sie hatten beide eine Lehre in einem Wiesbadener Hotel absolviert, Ela in der Direktion, Vivi in der Küche. Abends waren sie oft zusammen ausgegangen und hatten alles geteilt: ihren kärglichen Lohn, ihre hochfliegenden Träume, ihre kleinen Abenteuer.
Aber konnte man einfach noch mal von vorn anfangen? Alles auf null setzen? Es war so viel passiert seither. Nun ja, Vivi musste sich eingestehen, dass Elas bewegtes Leben Stoff für einen mehrbändigen Roman hergab, während ihr eigenes locker auf einen Bierdeckel gepasst hätte. Ela war in der Welt
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