Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
eher einer Barbiepuppe. Aber genau das war immer Vivis Traum gewesen: ein rosa Bett mit einer halbmeterhohen Matratze, rosa Bettwäsche, einem geblümten Vorhang und mindestens zwanzig kleinen Kissen aus rosa Satin.
Und schließlich hatte sie sich einen männlichen Mitbewohner ins Haus geholt. Er hieß Tiger, stammte aus dem städtischen Tierheim und war ein kastrierter Kater mit schwarzgraugetigertem Fell. Tiger schien heilfroh zu sein, ein Frauchen mit Zärtlichkeitsbedarf erwischt zu haben. Schnurrend schmiegte er sich an Vivi, wenn sie sich auf die Couch setzte, maunzend strich er um ihre Beine, wenn sie kochte – wobei er Vivis selbstgemachte Thunfischmousse bevorzugte –, und sobald sie ins Bett ging, rollte er sich neben ihr zusammen.
Das Tier tröstete Vivi über manche Stimmungsschwankung hinweg, auch wenn Tiger gleich am ersten Tag eine Gardine zerfetzt hatte und ihre Nerven mit halsbrecherischen Akrobatikeinlagen um ihre besten Blumenvasen herum auf die Probe stellte. Doch wenn sie sein weiches Fell streichelte, fühlte sie sich nicht ganz so allein. Sie wollte für jemanden da sein, ein fühlendes Wesen um sich haben. Mit Tiger verstand sie sich ohne Worte. Er schien es bislang nicht besonders gut gehabt zu haben, schreckhaft, wie er war. Schon beim kleinsten Geräusch stob er davon und versteckte sich. Ein Grund mehr, ihn nach Strich und Faden zu verwöhnen.
Das war’s dann aber auch an Neuerungen. Vivi hatte keinen Plan. Ihre Zukunft war ein einziges großes Fragezeichen. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie langsam, aber sicher in ein tiefes, schwarzes Loch kippte.
Zum Zufluchtsort wurde ihre Küche. Kochen war im Grunde das Einzige, was sie am Leben erhielt, obwohl es überhaupt keinen Spaß machte, nur für sich selbst zu brutzeln und dann mutterseelenallein am Esstisch zu sitzen. Da half es auch nichts, dass Tiger artig auf einem Stuhl Platz nahm und seine Milch vom Teller leckte, während sie ihr Essen in sich hineingabelte. Zwar hatte Berthold Seitz sie schon mehrfach überreden wollen, gemeinsam mit ihm auszugehen, doch sie weigerte sich standhaft.
»Allein, allein – allein, allein« , summte sie manchmal vor sich hin. Mit der Männerwelt hatte sie vorerst abgeschlossen.
Der einzige Ausflug, den sie sich gestattete, war der versprochene Besuch bei ihrer Tante Elfriede. Zwei Tage verbrachte sie in Koblenz, im stillen Haus ihrer Tante, in dem die meisten Möbel mit Tüchern verhängt waren und wo es penetrant nach Mottenpulver roch. Den größten Teil der Zeit hielten sie sich im Wohnzimmer auf, das Tante Elfriede »Salon« nannte, und stöberten in alten Fotoalben. Nicht weniger als fünf Hochzeitsfotos befanden sich darin.
»Ja, fünfmal habe ich mir einen Ring anstecken lassen, und erst beim fünften Mal war es der Richtige«, seufzte Tante Elfriede.
Vivi nahm einen Schluck vom Holunderblütensekt, den ihre Tante zum Mandelgebäck auf den Tisch gestellt hatte. »Und was hast du mit den anderen vier gemacht?«
Die alte Dame lächelte unergründlich. »Manche gehen vonselber, und wenn sie es nicht tun, muss man eben ein bisschen nachhelfen.«
»Tante Elfriede!« Vivi richtete sich kerzengerade auf. Hatte sie richtig gehört?
»Kein Grund zur Aufregung«, beschwichtigte Tante Elfriede ihre Nichte. »Ich gehöre einer Generation an, für die Emanzipation – so sagt man doch? – ein Fremdwort war. Aber man hat ja immer noch die Waffen einer Frau.«
Verständnislos sah Vivi sie an. »Was soll das denn heißen?«
»Mein Kind, mir ist nicht entgangen, dass deine Ehe mit Werner nicht sonderlich glücklich war. Auch zu mir war er mehr als abweisend. Was immer du getan hast – du hast das Richtige getan.«
»Ich habe gar nichts getan!«, protestierte Vivi. Stimmte ja auch. »Aber, Moment mal, was meintest du vorhin, mit ›nachhelfen‹?«
Das Lächeln der alten Dame erstarb. »Sei auf der Hut, meine Kleine. Sonst nehmen dir die Männer erst die Butter vom Brot und essen dann den Rest auf.« Mehr verriet sie nicht.
Als Vivi wieder abfuhr, stand Tante Elfriede winkend vor ihrem Haus und wirkte plötzlich sehr, sehr einsam. So wirst du auch enden, dachte Vivi, während sie im Rückspiegel einen letzten Blick auf ihre Tante warf. Du wirst als einsame alte Frau sterben, und du hast es nicht besser verdient, nach allem, was passiert ist.
Am folgenden Nachmittag pürierte Vivi gerade ein Forellenfilet für ihre berühmte Fischpastete, als ihr Handy klingelte. Bis sie es endlich aus
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