Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Tür links.«
Während Vivi mit dem Lift nach oben fuhr, zog sie einen Handspiegel aus der Tasche. Unter ihren Augen lagen tiefe Schatten, sie sah übernächtigt aus. Richards Tod hatte Spuren hinterlassen, auch auf ihrer Seele. Obwohl sich die Zeit mit ihm als abgefeimter Betrug herausgestellt hatte, war sie doch glücklich mit ihm gewesen. Ja, sie vermisste ihn. Immer noch. Hörte das denn nie auf?
Ihr war nur noch Tiger geblieben. Er wurde daheim vom schwerhörigen Fräulein Kellermann von nebenan versorgt. Die alte Dame war ganz begeistert gewesen, dass sie sich um Vivis Kater kümmern durfte. Noch in der Nacht hatte Vivi sein Essen vorbereitet, denn Tiger war inzwischen ein echter Feinschmecker geworden, der sich nicht mit Dosenfutter abspeisen ließ.
Eilig stöckelte sie zu Elas Büro, obwohl sie bezweifelte, dass sie den Anforderungen dieses Luxushotels gewachsen war. Alles wirkte so perfekt. Und sie? War eine einzige Sollbruchstelle.
Ela begrüßte sie mit einer herzlichen Umarmung. VivisFreundin trug ein graukariertes Schneiderkostüm und eine elegante weiße Seidenbluse darunter. Ihr Büro bot eine atemberaubende Aussicht auf die Skyline Frankfurts, an den Wänden hingen großformatige abstrakte Gemälde. Die Einrichtung bestand aus einem Stahlrohrschreibtisch mit passendem Drehstuhl und einer kleinen Sitzgruppe aus schwarzen Ledersesseln, wo sie sich niederließen.
Vivi bewunderte Ela dafür, wie souverän sie in diesem Umfeld wirkte. Sie hatte sogar eine Sekretärin, die Kaffee und Kekse servierte.
»Konferenzkekse«, erläuterte Ela. »Du kannst sie alle aufessen, wenn du magst. Mir hängen sie inzwischen zum Hals heraus.«
»Und du meinst, ich schaffe den Job?«, fragte Vivi, während sie die Kekse probierte. Sie waren leider staubtrocken, kein Vergleich mit den saftigen, selbstgebackenen Kreationen, die Vivi an die Nachbarskinder verteilte.
»Du hast keine Referenzen, das ist ein gewisses Problem. Aber ich habe mich mördermäßig für dich eingesetzt«, erwiderte Ela und legte ein schwarz bestrumpftes Bein über die Sessellehne.
Mördermäßig. Unter Vivis rechtem Auge zuckte es.
»Da wir akuten Personalnotstand haben, drückt der Hoteldirektor ein Auge zu. Du wirst ein paar Tage lang von deiner Vorgängerin eingearbeitet, dann hast du einen Monat Probezeit. Mach was draus. Und wenn du mal nicht weiterweißt, wende dich vertrauensvoll an mich.«
Vivi verging immer noch vor Lampenfieber, doch der Tag wurde weniger anstrengend, als sie befürchtet hatte. Von Staubsaugen und Badewannenschrubben keine Spur. Nachdem manihr ihre neue Uniform, ein dunkelblaues Kostüm mit Goldknöpfen, verpasst hatte, begleitete sie eine füllige Endfünfzigerin, die die Zimmermädchen beaufsichtigte, den Verbrauch von Toilettenpapier und Reinigungsmitteln kontrollierte und sich um Extrawünsche der Gäste kümmerte.
»Housekeeping ist kein Hausfrauenjob, Frau Bernburg«, erklärte sie spitz. »Für den Fall, dass Ihre Leistungen überzeugen, werden Sie Vorgesetzte aller Mitarbeiter und Auszubildenden dieser Abteilung sein. Sämtliche administrativen Aufgaben habe ich zwischenzeitlich delegiert, Dinge wie Budgetplanung und Urlaubspläne der Mitarbeiter. Falls Sie sich als kompetent genug herausstellen, wird Ihnen auch das obliegen.«
Noch verstand Vivi nur Bahnhof. Doch sie lernte schnell. Wie viele Stücke Seife und wie viele Shampooflaschen ins Badezimmer gehörten, welche Handtücher wo zu hängen hatten, worauf man bei der Qualitätskontrolle achten musste. Ein Haar in der Badewanne? Katastrophe. Ein übersehener Fleck auf der Tagesdecke? Weltuntergang. Alles musste eben perfekt sein. Doch da Vivi ein Leben lang nichts anderes getan hatte, als einem Kontrollfreak von Ehemann das perfekte Heim zu bescheren, ging ihr die Sache von Tag zu Tag leichter von der Hand.
In den Pausen tranken Vivi und Ela manchmal einen Kaffee zusammen, wie in alten Tagen.
»Ich hab geweckt, was in dir steckt«, sagte Ela stolz. »Aber kommt Richard nicht etwas zu kurz?«
»Wir simsen«, antwortete Vivi. »Er ist gerade in London.«
Anschließend war er in Paris, in Rom und in Madrid. Angeblich. Und Ela schimpfte über Workaholics, die eine Klassefrau wie Vivi viel zu lange allein ließen.Vivi dekorierte gerade eine Suite mit frischen Lilien, als ihr Handy klingelte. Eigentlich durfte sie während der Arbeitszeit keine Privatgespräche führen, doch sie war ganz allein in der Suite.
»Werte Sylvia!«, tönte es ihr
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