Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
entgegen.
Schon wieder, dachte sie entnervt. Berthold Seitz unterrichtete Vivi knapp über die neuesten Anwaltsschreiben der Gegenseite, dann wiederholte er seine Einladung, was allmählich zum Running Gag wurde. Lange konnte sie ihn nicht mehr hinhalten. Und da sie ohnehin allmählich mürbe war und ein für alle Mal ihre Ruhe wollte, ließ sie sich breitschlagen, nach dieser ersten Hotelwoche mit ihm auszugehen.
Wohl war ihr nicht dabei. Abgesehen davon, dass sie sich ziemlich erschöpft fühlte, musste sie ihm freundlichst beibiegen, dass er alles andere als ihr Traumprinz war. Keine leichte Mission, gerade jetzt, wo der Erbschaftsstreit eine heiße Phase erreichte. Berthold Seitz kümmerte sich nahezu aufopferungsvoll um ihre Angelegenheiten, also würde sie diplomatisch vorgehen müssen.
Ihre Laune schrammte auf der Felge, als sie am folgenden Sonntagabend aus dem Wagen stieg und Schloss Johannisberg betrat, einen prachtvollen Kasten mit Stuckdecken, Kristalllüstern und gelbseidenen Tapeten. Sehr edel, sehr teuer und berühmt für seine besonders vollmundigen hauseigenen Rieslingweine. Auch das Restaurant genoss einen großartigen Ruf.
Berthold Seitz erwartete sie bereits. »Sylvia, Sie sehen entzückend aus!«
Galant küsste er Vivis Hand und schob ihr einen Stuhl zurecht. Der Mann hat Manieren, dachte sie. Alte Schule eben.Auch deshalb hatte sie trotz einigen Zögerns seine Einladung angenommen. Er würde es mit untadeliger Haltung hinnehmen, dass sie ihn zurückwies. Ein Mann seiner Klasse machte kein Trara, schon gar nicht in so einem piekfeinen Ambiente.
Vivi hatte sich äußerst korrekt gekleidet, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Ein bisschen zu viel Dekolleté, und der Mann drehte noch durch. Genauer gesagt, hatte sie einfach das dunkelblaue Kostüm mit den Goldknöpfen angezogen, ihre neue Uniform aus dem Hotel Miramar.
Berthold dagegen war offenbar der Meinung gewesen, er müsse zu diesem Date betont modisch erscheinen. Erschauernd musterte Vivi sein weinrotes Seidenjackett, das er mit einer Mickey-Mouse-Krawatte aufgepeppt hatte. Sein Aufzug funktionierte nach dem Prinzip Verkehrsunfall: Es sah schrecklich aus, aber man musste einfach hinsehen. Vivi war froh, dass ihr bei Tisch wenigstens der Anblick seiner flaschengrünen Cordhose erspart blieb, mit der er sein Outfit vervollständigt hatte.
»Hm, Roastbeef mit Bratkartoffeln, die sind phantastisch hier«, schwärmte der Anwalt, während er ihr die Speisekarte reichte. »Mein Leibgericht!«
»Nehmen wir«, bekräftigte Vivi, obwohl sie es für reichlich schräg hielt, in so einem Edelschuppen ausgerechnet Hausmannskost zu bestellen. Doch sie hatte mal irgendwo gelesen, dass Männer es mochten, wenn man ihnen die Auswahl der Speisen überließ. War wohl so ein Egoding, nach dem Motto: Gib ihm das Gefühl, er hat die Hosen an, und du steckst ihn lässig in die Tasche.
Ganz so einfach war das jedoch nicht mit Berthold Seitz. Dafür, dass sein Kegelbruder Werner erst kürzlich die Bowlingkugel abgegeben hatte, ging er ganz schön ran.
»Sie sind nicht der Typ Frau, der allein leben sollte«, eröffnete er das Gespräch, nachdem der Kellner den Wein eingeschenkt hatte. »Sie brauchen jemanden, der Sie mit der nötigen Umsicht und Besonnenheit umsorgt.« Er erhob sein Glas. »Auf die Zukunft!«
Nervös fuhr Vivi mit ihrem rechten Zeigefinger über den Glasrand. »Och, ich komm ganz gut allein klar.«
Ich kann sogar Hochstapler vergiften und geräuschlos entsorgen, dachte sie. Aber das verschwieg sie natürlich.
»Da bin ich allerdings dezidiert anderer Meinung«, widersprach Berthold Seitz und zuppelte nicht minder nervös an seiner Mickey-Mouse-Krawatte herum. Dann langte er über den Tisch und griff mit seinen knochigen Fingern nach Vivis Hand.
»Sie sind der rauen Wirklichkeit und ihren Herausforderungen nicht gewachsen«, orakelte er düster. »Amtsschreiben, Steuererklärungen, Versicherungspolicen – nennen wir das Kind beim Namen: Dafür brauchen Sie professionellen Beistand. Auch privat, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, sind Sie auf Beistand angewiesen. Ein Mann an Ihrer Seite könnte die Freude in Ihr Leben zurückbringen, die mit Werners unerwartetem Ableben von Ihnen gewichen ist. Und ein Mann wie ich verschafft Ihnen nicht zuletzt die gesellschaftliche Stellung, die Ihnen gebührt.«
Uff. Vivi tat so, als müsste sie sich die Nase putzen, um ihre Hand aus den dürren Fingern des Mannes zu befreien, der offenbar
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