Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Titel: Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
Vom Netzwerk:
abgebrannt, aber eines war sie ganz bestimmt nicht: käuflich.
    Innerlich bebend zersäbelte sie eine Scheibe Roastbeef. »Ganz so mittellos bin ich nicht. Neuerdings habe ich einen Job. Einen ziemlich guten sogar.«
    In Bertholds Augen malte sich pure Überraschung. »Einen – Job?« Er sprach das Wort aus, als sei es etwas Unanständiges.
    »Ja, als Hausdame in einem Frankfurter Hotel. Reich wird man damit nicht, doch ich kann ganz gut davon leben.«
    Berthold hatte sich gerade etwas vom Beilagensalat genommen, jetzt hörte er abrupt auf zu kauen. Hustend wedelte er mit den Armen und sprang vom Stuhl auf, der krachend umfiel. Eine etwas übertriebene Reaktion, fand Vivi. War es im 21. Jahrhundert nicht normal, dass Frauen arbeiteten? Nun spuckte ihr Gegenüber auch noch ein zerkautes Häufchen Salat auf seinen Teller. Die Familie, die am Nebentisch saß, hörte auf zu essen und betrachtete ihn entgeistert.
    »Hahenüsche«, stöhnte er.
    Wie war das?
    Er wischte sich den Mund mit der Serviette ab und stürzte den Inhalt seines Weinglases hinunter.
    »Haselnüsse«, stieß er keuchend hervor. »Meine Allergie. Das, werte Sylvia, müssen Sie sich merken, wenn Sie später für mich kochen: keine Haselnüsse, sonst ist mein Leben in Gefahr!«
    So weit wird es gar nicht erst kommen, dachte Vivi grimmig. Sollte sich der feine Notar doch gehackt legen mit seiner dämlichen Allergie und seinen abgefuckten Rentnerträumen, in denen Vivi den Seniorenservice lieferte. Sie ließ sich nicht nebenbei von einem reichen Pinsel einsacken. Lieber würde sie sämtliche Kloschüsseln im Hotel Miramar mit der Zahnbürste schrubben.
    »Verbindlichsten Dank für den wunderbaren Abend«, sagte sie und stand auf. »Leider muss ich jetzt gehen, ich habe morgen Frühdienst. Bei Gelegenheit können wir ja weiter Zukunftspläne schmieden. Auch wenn mir durchaus noch nicht klar ist, welche Rolle Sie künftig in meinem Leben spielen werden.«
    So viel Druckausgleich musste sein, sonst wäre sie geplatzt. Auf dem Heimweg schmetterte sie Es fährt ein Zug nach nirgendwo . Eines war mal klar: Berthold Seitz hatte einen ziemlichen Schaden an der Oberleitung.
    Als Vivi ein paar Tage später das erste Mal ohne Aufsicht ihre Runde im Hotel machte, fühlte sie sich schon wie ein Guppy im Aquarium. Der Concierge grüßte sie wie eine alte Bekannte, die Pagen sprachen sie mit Namen an, und der Hoteldirektor hatte sie sogar zum Tee gebeten, um die neue Spitzenkraft kennenzulernen, von der alle erzählten.
    Mittlerweile kannte Vivi sämtliche Tücken der Zimmerreinigung. Kein Stäubchen, keine Unachtsamkeit entging ihr. Verwundert stellte sie fest, dass der Job ihr Spaß machte. Ja, Spaß. Und im Gegensatz zu ihrem häuslichen Sklavendasein bei Werner wurde sie dafür nicht schlecht entlohnt – auch wenn es Jahrzehnte dauern würde, um von dem Geld ihr eigenes Haus zurückzukaufen.
    Nein, reich würde sie wirklich nicht werden in diesem Job. Doch er gab ihr etwas weit Besseres als Geld: Selbstbewusstsein. Sie legte sich ins Zeug, und dafür wurde sie anerkannt. Hier interessierte sich niemand dafür, ob sie einen Gatten daheim oder irgendeine »gesellschaftliche Stellung« hatte. Alles, was zählte, war ihre Arbeitsmoral. Und daran mangelte es wahrlich nicht. Schon allein deshalb, weil der Abend mit Berthold Seitz ihr allzu deutlich gezeigt hatte, was sie erwartete, wenn sie sich irgendeinem vermeintlichen Retter auslieferte. Dann lieber ackern bis zum Systemausfall.
    Etwas mühsam waren die Extrawünsche. Vor allem in den Nachtschichten gab es reichlich zu tun. Da fiel den Gästen aus lauter Einsamkeit in der Fremde alles Mögliche ein, worauf sie nicht verzichten wollten.
    Gleich in der ersten Nachtschicht wurde Vivi auf eine harte Probe gestellt. Eine Dame im zweiten Stock wollte eine Kaschmirdecke, die japanische Familie in der Präsidentensuite verlangte weit nach Mitternacht Unmengen von Sushi, eine Operndiva forderte vierzig rote Rosen und einen Personal Trainer. Und ein russischer Geschäftsmann fragte allen Ernstes nach einer Domina, die ihn mit vollem Equipment beglücken sollte.
    Manchmal waren es auch kulinarische Wünsche, die nichtauf der Nachtkarte standen. Dann marschierte Vivi persönlich in die Hotelküche, wo eine Notbesetzung herumwerkelte, die nur vorbereitete Gerichte in die Mikrowelle schieben konnte, und kochte das Verlangte – ganz egal, ob es ein deftiger Eintopf, ein asiatisches Curry oder eine Ente à l’orange war. Sie hatte

Weitere Kostenlose Bücher