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Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman

Titel: Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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genügend Jahre an ihrem Repertoire gearbeitet, das kam ihr jetzt zugute.
    Vivi telefonierte, organisierte, lief kreuz und quer durch die Gänge und beaufsichtigte die prompte Erledigung aller Extrawürste. Sie hatte Blasen an den Füßen und Rückenschmerzen von der Rennerei, aber das machte ihr nichts aus. Endlich wurde sie wieder gebraucht. Und endlich wurde sie für das, was sie tat, auch respektiert. Sogar das eine oder andere Trinkgeld wanderte in ihre Jacketttasche. Am spendabelsten war der russische Geschäftsmann gewesen. Er hatte ihr kommentarlos einen Hunderter zugesteckt, nachdem sie eine furchterregende Zweimeterfrau im schwarzen Ledermantel nebst Peitsche vor seiner Suite abgeliefert hatte.
    »Hey, zwei Wochen sind rum! Ich lade dich zum Dinner ins Hotelrestaurant ein!«, verkündete Ela, als Vivi sie in ihrem Büro besuchte. »Du hast es dir verdient. Heute Abend um halb acht?«
    Punkt halb acht betrat Vivi das Restaurant. Es war ein heller, kühler Esstempel im puristischen Stil, mit viel Glas und Chrom. Auf den Tischen standen weiße Calla. Oha, Beerdigungsblumen, dachte sie. Schönen Gruß auch vom Friedhof.
    Wie gern wäre sie zu Richards Beerdigung gefahren, doch das hatte sie sich dann doch nicht getraut. Wegen der schlafenden Hunde. Die Zeitungen hatten ausführliche Berichte gebracht,in denen das beklagenswerte Ende von André Kowalski erörtert wurde. Vivi hatte sämtliche Artikel gesammelt und eingehend studiert. Die Polizei ging von Selbstmord durch Gift aus, da es keinerlei Hinweise für eine Fremdeinwirkung gegeben habe. Stimmte ja auch. Eine Fremde war Vivi für Richard nun wirklich nicht gewesen.
    Dafür war sie am Tag zuvor in Koblenz gewesen, zur Beerdigung ihrer Tante Elfriede. Die alte Dame war friedlich eingeschlafen, wie es hieß, und hatte Vivi neben einer umfangreichen Postkartensammlung einen Abschiedsbrief hinterlassen.
    »Kopf hoch, mein Kind«, hatte sie geschrieben, »Du bist ein tapferes Mädchen. Aber Obacht vor den Männern. Ich wünsche Dir alles Glück dieser Welt. Das Leben ist kurz, mach etwas daraus.«
    Lustig, dass ausgerechnet Tante Elfriede von einem kurzen Leben spricht, nachdem sie es recht fidel auf vierundneunzig Jahre gebracht hat, dachte Vivi. Dafür hatte Richard eindeutig zu kurz gelebt.
    Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür, hallte es von fern durch ihren Kopf. Doch das stimmte nicht, es hatte nie gestimmt. Höchste Zeit, dieses Lied von ihrer inneren Festplatte zu löschen.
    Ela saß schon an einem gedeckten Tisch am Fenster und knabberte an einem Miniaturbrötchen mit schwarzen Oliven. »Süße, setz dich, wir haben etwas zu feiern. Du bist ein Kracher, ein absolutes Naturtalent! Die Zimmermädchen hassen dich, die Gäste lieben dich, der Direktor ist hin und weg – genau so, wie’s sein soll. Hast du es schon Richard erzählt?«
    »Aber sicher«, antwortete Vivi. »Er ist gerade in Kopenhagen. Und er freut sich sehr für mich.«
    »Dieser liebenswerte Schuft macht sich ganz schön rar, was?«, sagte Ela. »Bindungsangst, wenn ich das schon höre! Na, die wirst du ihm noch austreiben.«
    Vivi unternahm keinen Versuch, Ela diese Illusion zu nehmen. Sie würde Richard am Leben erhalten, solange es eben ging. Wenn auch nur als Phantom. Seit einigen Tagen trug sie wieder die Kette mit dem Aquamarinanhänger. Für Ela, die wusste, dass sie ein Geschenk von Richard war, aber auch ein wenig für sich selbst. Die Kette war das Einzige, was ihr von ihrer großen Liebe geblieben war.
    Sie entschieden sich für das Menu Surprise. Der Koch war ein Fan der molekularen Küche, was ihm höchstes Lob der internationalen Gourmetpresse und einen Michelinstern eingetragen hatte. Dabei wirkte das meiste nicht, als sei es für den Verzehr geeignet.
    Skeptisch löffelte Vivi die wasserklare Tomatenessenz, den gummiartigen Tomatenkaviar und den weißen Tomatenschaum. Sie fand das alles ziemlich abwegig. Offenbar hatte man es darauf abgesehen, jegliche Nahrungsmittel bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen. Der Höhepunkt war ein verkorktes Reagenzglas, das nur den Duft von Tomaten enthielt.
    »Stimmt es eigentlich, dass du nachts manchmal für die Gäste kochst?«, fragte Ela unvermittelt.
    Vivi sah auf. »Ja, und denen gefällt es. Die Nachtkarte ist nicht gerade ausgefallen, deshalb stelle ich mich einfach selbst an den Herd.«
    »Das nenne ich Motivation!« Ela lutschte genießerisch an ihrem Tomatenkaviar. »Deiner weiteren Karriere steht nichts mehr im Wege.

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