Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
fühle mich nicht mehr sicher. Beim Baden im Meer hat er mich unter Wasser gedrückt, so dass ich fast ertrunkenwäre. Schweren Herzens habe ich mich daher entschlossen, deinen Rat (!) zu beherzigen.
Kuss, Deine Elfi
Vivi presste die Lippen aufeinander, während ihr Herz hart zu klopfen begann. Fast ertrunken. Plötzlich hatte sie einen salzigen Geschmack im Mund. Den Geschmack von Meerwasser.
Die nächste Karte war auf den 11. Juni 1962 datiert.
Liebste Mama, noch immer ist es herrlich sonnig. Am Morgen machte ich mit Herbert einen Ausflug nach Capri, wo es ein entzückendes Restaurant gab. Nach dem Essen (!) fühlte er sich nicht wohl. Nun liegt er im Zimmer und jammert, dass ich einen Arzt holen soll. Das fand ich jedoch nicht notwendig. Ich werde dir weiter berichten. Kuss, Deine Elfi
Vivis Hände flogen, als sie die dritte Karte aus dem Amalfi-Stapel zog, die Tante Elfriede am 12. Juni 1962 geschrieben hatte.
Liebste Mama, vielen Dank noch einmal für Deinen Rat. Zu meinem großen Bedauern (!) ist Herbert in der letzten Nacht verstorben. Der Arzt stellte eine Fischvergiftung (!) fest. Wegen der großen Hitze, die eine längere Aufbahrung von Toten unmöglich macht, wird Herbert noch heute beerdigt. In tiefer Trauer, Deine Elfi
PS Schicke mir bitte das blaugeblümte Kleid mit dem tiefen Ausschnitt. Die Karten fielen Vivi aus der Hand und rieselten auf den Boden. Allein die höchst beredten Ausrufezeichen ließen ihr das Blut in den Adern gefrieren. Konnte es sein, dass sich die Geschichte wiederholte? Was für ein heimliches Band verknüpfte sie mit ihrer Tante? Und hatte Tante Elfriede ihr diese Postkarten vielleicht sogar mit voller Absicht vermacht? Weil sie ihr etwas damit mitteilen wollte? Auch als Warnung?
Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt, während sie ins Haus hineinlauschte. Jan war zurückgekommen. Er schien in der Küche zu sein, denn man hörte das Klappern von Töpfen, das Zufallen der Kühlschranktür. Er kochte. Was kochte er? Ihre letzte Mahlzeit?
Als hätte jemand die Kulissen einer Bühne beiseitegeschoben, sah Vivi klar und deutlich, was dahinter los war. Ihr wurde ganz schlecht davon. So schnell sie konnte, verstaute sie den Postkartenkarton und schloss die Tür zum Gästezimmer. Dann hastete sie zurück ins Bett und horchte mit Grausen auf die Geräusche des Mannes, der ihr nach dem Leben trachtete. Wie grottendämlich musste man denn sein, um zu übersehen, was doch so offensichtlich war? Wie strunzdumm hatte sie sich bloß angestellt?
Nach dem ersten Schock zog Vivi eine Bilanz. Die war beschämend simpel. Abgesehen von Herrn Helmholtz und dem Bankdirektor war Jan der Einzige, der über ihre Vermögensverhältnisse Bescheid wusste. Er liebte Luxus, seine Rolex, den Porsche, teure Fernreisen, allesamt Dinge, die er sich vom Gehalt eines Kommissars nicht leisten konnte.
Wie Schuppen fiel es Vivi von den Augen. Wann hatte Jan angefangen mit seinen heimtückischen Anschlägen? Doch wohl, seit sie ihm von ihren Plänen erzählt hatte, die Millionenin das Kinderhaus zu stecken! Das musste für ihn eine herbe Enttäuschung gewesen sein. Seither war es Schlag auf Schlag gegangen. Der angebliche Badeunfall. Die angebliche Fischvergiftung. Und wer die Bremsen an Werners Wagen manipuliert hatte, konnte sie sich an zwei Fingern ausrechnen. Hauptkommissar Petersen hatte die Seiten gewechselt.
Er wollte ihren Tod.
Wimmernd vergrub Vivi ihr Gesicht in den rosa Satinkissen. Selbst Richards Betrug hatte sie nicht derart verletzen können wie Jans abgefeimte Mordpläne. Was hatte er gesagt? Geld verdirbt nicht den Charakter, es zeigt den Charakter? Seine Seele musste eine stinkende Mördergrube sein. Sie hatte sich den Feind ins Haus geholt, und, schlimmer noch, sie hatte ihn in ihr Herz gelassen. Der Vater ihres ungeborenen Kindes wollte sie umbringen!
Sie hatte es ihm leicht gemacht, viel zu leicht. Eine Nichtschwimmerin im Meer – Kleinigkeit. Ein Fisch, den er nicht gegessen hatte, weil ihm angeblich übel war – Mord für Anfänger. Und die Bremsschläuche – mit dem Satz exzellenter Küchenmesser, die Vivi besaß, musste das eine Sache von Minuten gewesen sein. Bitter dachte sie daran, wie er sie im Restaurant Katamaran losgeschickt hatte, um Wasser zu holen. In der Zwischenzeit hatte er seelenruhig den Fisch in der Salzkruste vergiftet. Oder hatte er beim Kellner verdorbenen Fisch bestellt? Es kam aufs Gleiche raus.
Vivi war so fassungslos, dass sie nicht einmal weinen konnte. Ihr
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