Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Kinderzimmer werden!
»Soll ich dir ein paar Zeitungen mitbringen?«, fragte Jan, der ins Schlafzimmer schaute. »Oder wie wär’s mit einer DVD? Ein Liebesfilm würde dich bestimmt aufmuntern.«
»Danke, lieber einen Actionfilm.« Vivi lächelte tapfer. »Ich heule momentan sowieso dauernd los, weil ich so glücklich über unser Kind bin. Ein Herz-Schmerz-Film würde mich komplett umhauen.«
Jan gab ihr einen Kuss auf die Nase. »Du wirst die beste und hübscheste Mutter unter der Sonne. Ich gehe jetzt einkaufen und koche dir nachher eine Minestrone. Schön brav sein! Keine Anstrengungen, versprochen?«
»Und nicht gebrochen«, beteuerte Vivi. »Hat sich die Werkstatt eigentlich schon gemeldet? Ich meine, die defekten Bremsen sind doch sehr merkwürdig. Werners alte Schüssel ist bestimmt kein Sportwagen, aber sonst war immer alles okay.«
»Ach, das.« Er schluckte. »Das war ein – ein Marderschaden. Kommt öfter vor, haben die gesagt. Sie reparieren schon die durchgebissenen Bremsleitungen.«
»Wenn ich dich nicht hätte«, seufzte Vivi. Sie grinste frech. »Dann hätte ich jetzt zum Beispiel kein Kind im Bauch.«
»Unser Kind.« Er kniete feierlich an ihrem Bett, und wieder sah Vivi erstaunt, dass der starke, smarte Jan Tränen in den Augen hatte. »Ich bin kein Engel wie du. Ehrlich gesagt habeich in meinem Leben einige Fehler gemacht, und ich bereue sie zutiefst. Doch dieses Kind …«
Vivi legte ihm einen Finger auf die Lippen. »So einen Blödsinn will ich gar nicht hören. Lauf los und komm ganz schnell wieder, das ist alles, was ich will.«
Als die Haustür zugefallen war, streckte sie sich vorsichtig. Wie schade, dachte sie, heute wäre der Termin für den Grundstückskauf gewesen, um das Projekt Kinderhaus Sonnenschein zu starten. Den Termin hatte sie nun verpasst. Alles würde sich verzögern. Aber die Gesundheit und ihr Kind gingen vor. Nur, dass ihre Langeweile auf Höchstpegel stand. Sie konnte doch nicht ewig Löcher in die Wand starren!
So vorsichtig, als bestünde sie aus dünnem Glas, stand sie auf und tapste mit winzigen Trippelschritten zum Gästezimmer. Es glich eher einer Rumpelkammer. Im Laufe der Jahre hatte Vivi alles reingeschmissen, was nicht zu gebrauchen, aber zu schade zum Wegwerfen war. Höchste Zeit, mal aufzuräumen, um Platz für Kindermöbel zu schaffen. Ihr kleiner Genesungsurlaub war die beste Gelegenheit dafür. Tiger war ganz ihrer Meinung. Neugierig kletterte er in dem Durcheinander herum.
Vivi arbeitete sich durch allerlei verstaubten Kram und zahllose sinnfreie Hochzeitsgeschenke, die auf den Verkauf bei Ebay warteten. Zwar hatte sie um Spenden für das Kinderhaus gebeten, trotzdem hatte man ihr die üblichen Verlegenheitspräsente überreicht – schaurige Kerzenleuchter, Salatbestecke, erlesen scheußliche Blumenvasen. Ganz oben auf einem wackeligen Regal entdeckte sie den Karton mit Tante Elfriedes Postkarten. Vivi stellte sich auf die Zehenspitzen und hob ihn herunter.
Typisch, alle alten Leute mutieren irgendwann zu Messies, dachte sie. So weit würde sie es nicht kommen lassen. Also ab damit in den Müll.
Sie wollte den Karton schon zur Altpapiertonne bringen, als sie von den nostalgisch verblichenen Fotos angezogen wurde. Solche Ansichtskarten schrieb kein Mensch mehr in Zeiten von Mails und SMS. Als sie die Postkarten umdrehte, sah sie, dass sie von Tante Elfriede selbst stammten. Offensichtlich hatte sie ihre eigenen Urlaubsgrüße wieder eingesammelt und dann, säuberlich nach Ferienorten zu Stapeln geordnet, mit Gummibändern umwickelt. Wer machte denn so was? Und warum? Als Erinnerung an schöne Stunden in der Ferne?
Jedenfalls war Tante Elfriede ganz schön herumgekommen – Amalfi, Nizza, Paris, St. Petersburg. Ehrfürchtig bewunderte Vivi die gestochen klare Schrift ihrer Tante und überflog die Karten. Eine Minute später hatte sie sich auch schon festgelesen. Mit rührender Akribie schilderte Tante Elfriede die Besteigung des Pariser Eiffelturms, den Besuch der Eremitage in St. Petersburg, das Hotel Negresco in Nizza. Die alte Dame hatte die Welt gesehen, Respekt.
Neugierig nahm Vivi sich den Amalfi-Stapel vor. Je mehr sie las, desto blasser wurde sie.
Amalfi, 9. Juni 1962
Liebste Mama, das Wetter ist hervorragend, und das Hotel gefällt mir ausgezeichnet, auch wenn ich die vielen Nudeln nicht vertrage. Leider waren deine Befürchtungen begründet. Herbert stellt den Zimmermädchen nach. Er hatte sogar die Stirn, es zu leugnen. Ich
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