Ich komme um zu schreiben
„Au.“
„Alles okay?“
„Ich glaube, ich bin eingeschlafen.“
„Wir sind fertig hier.“
„Dann muss ich wirklich geschlafen haben.“
Ben nickte. Er wirkte besorgniserregend geistesabwesend. „Ich finde es schrecklich, dich hier alleinzulassen, aber ich muss Brenda noch heute Nacht verhören. Tut mir leid. Kann ich Lori anrufen und herbestellen?“
Sie wusste, dass es keinen Grund gab, sich verletzt zu fühlen. Er war der Chief, natürlich musste er los. Aber hier ging es um mehr als nur darum, dass er sie heute Nacht alleinließ. Sie wollte nicht, dass er Zeit zum Nachdenken hatte, sie wollte nicht, dass seine Sandburg jetzt schon in sich zusammenbrach, dass die Flut kam und all seine Gefühle davonspülte. Wenn er jetzt ging … dann würde er niemals wiederkommen.
Und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
Also zwang sie sich zu einem tapferen Lächeln und tat das, was sie am besten konnte. „Hey, ich warte doch nur drauf, dassdu endlich gehst, damit ich Lori anrufen kann. Unsere allwöchentliche Kissenschlacht steht nämlich noch aus.“
„Moll.“ Er klang unendlich besorgt und verletzt.
Aber Molly lachte auf. „Ich brauche Lori nicht. Es geht mir prächtig. Es gibt nichts mehr, wovor ich Angst haben müsste. Geh und mach deine Arbeit.“
Er blieb noch einen Moment lang kopfschüttelnd neben ihr hocken. Er wirkte müde und verloren und unerträglich liebenswert, wie er da kauerte. „Ich komme so schnell wie möglich wieder. Bitte, lass mich Lori anrufen.“
„Ben, ich bin ein großes Mädchen. Wir sehen uns in ein paar Stunden. Geh nur.“
Also ging er, und dann rief Molly ganz von selbst bei Lori an, um sich auszuheulen und ihr alles zu erzählen, was passiert war. Stunden später schlief sie allein auf dem Sofa ein.
Als sie erwachte, fiel helles Morgenlicht durch die Wohnzimmerfenster.
Ben ließ sich mit seinem Besuch Zeit bis kurz vor elf. Und dann kam es genauso schlimm, wie sie befürchtet hatte.
15. KAPITEL
F rauenporno-Autorin.
Immerhin zeigte sie sich nicht nackt im Internet, und sie half auch nicht per Telefon irgendwelchen Perversen beim Masturbieren. Was sie tat, war weder ungehörig noch illegal. Sie schrieb einfach nur Sexgeschichten. Und zwar über ihn.
Er war nicht sonderlich glücklich darüber, wieder zu ihr zu fahren, obwohl er versprochen hatte, vorbeizukommen, sobald das Verhör mit Brenda beendet war. Im Augenblick fühlte er sich unendlich erschöpft, sein Bett war viel zu weit weg, und seine Erleichterung darüber, dass Molly in Sicherheit war, hatte sich schon vor Stunden in Luft aufgelöst.
Brenda hatte die schrecklichsten Dinge über Mollys Geschichten erzählt, und bei der erstbesten Gelegenheit war er selbst online gegangen, um einen Blick in ihre Bücher zu werfen. Da waren sie, alle sechzehn Romane, die zur Hälfte sogar als Druckausgabe erhältlich waren. Der Verlag prahlte mit den sagenhaften Rezensionen, den diversen Preisen und Verkaufszahlen. Diese Frau war ein Star. Und Ben der Hauptdarsteller in so gut wie jedem Buch.
Diesen Teil der Geschichte hatte er bis zuletzt nicht glauben wollen. Wenn sie einfach nur schmutzige Geschichten geschrieben hätte – okay. Ein seltsamer Beruf, aber okay. Doch Gestohlene Küsse handelte eindeutig von ihm. Es reichte, den zweiseitigen Klappentext auf der Website zu lesen, um jeden Zweifel auszuschließen. Eine kleine Stadt in den Bergen. Ein junges Mädchen und der beste Freund ihres Bruders. Eine Wohnung über einem Fachgeschäft für Tierfutter, verflixt noch mal! Das Einzige, was sie geändert hatte, waren Namen und Alter. Ach ja, und natürlich den Verlauf jener verhängnisvollen Nacht. Was aber niemand außer ihm wusste.
Als er an Mollys Tür klopfte, war ihm so flau im Magen, dass er nur hoffen konnte, sich nicht gleich zu übergeben. Insgeheim hoffte Ben, dass sie noch schlief. Aber so viel Glück war ihm nicht beschieden. Sie öffnete die Tür und lächelte ihn an. Abgesehen von den dunklen Ringen unter ihren Augen wirkte sie so frisch und unschuldig wie eine Frühlingsblume. Sie trug bequeme Jeans und einen gelben Pulli, und ihr Haar hatte sie zu diesem mädchenhaften Zopf geflochten, bei dessen Anblick Ben jedes Mal das Wasser im Mund zusammenlief. Aber mittlerweile hatte er begriffen, dass sie trotz ihres Aussehens nichts mehr gemein hatte mit dem unschuldigen jungen Mädchen von damals.
„Tut mir leid, dass ich so spät dran bin“, murmelte er mürrisch.
Ihr Blick wurde misstrauisch.
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