Ich komme um zu schreiben
Mollys Macken schütteln, und dann würden sie sich darauf einigen, dass sie ganz dringend an ihren Bindungsängsten arbeiten musste, ehe sie überhaupt eine richtige Beziehung eingehen konnte. Ben würde nicken, wenn Cameron ihm erklärte, dass sie noch gar nicht richtig mit ihrer letzten Beziehung abgeschlossen hatte. Und je mehr sie sich gegen die Anschuldigungen wehrte, desto mehr würde es so wirken, als wäre sie nicht über Cameron hinweg.
Der bloße Gedanke machte sie so wütend, dass sie die Banane beim Schälen halb zerdrückte. Frustriert stopfte Molly das blöde Ding in sich hinein und schüttete eine Tasse Kaffee hinterher.
Männer. Wenn sie ihren ersten Roman nicht geschrieben hätte, wäre sie Ben bestimmt gut genug. Aber dann hätte sie nicht den Beruf, den sie so liebte. Wahrscheinlich würde sie sich dann im Hinterzimmer irgendeiner Marketingagentur den Buckel krumm schuften oder bei einem Riesenunternehmen im Vertrieb arbeiten. Und sie hätte ganz bestimmt nicht einfach so wieder nach Tumble Creek ziehen können. Und dann hätte sie Ben sowieso nie mehr gesehen.
Gott, wie sie diese Schuldgefühle hasste. Genauso wie Verpflichtungen und Streitereien und Kompromisse. Ihr war schon früh im Leben klar geworden, dass sie nicht unbedingt eine geeignete Kandidatin für ernsthafte Beziehungen war,und bis ihr Cameron Kasten über den Weg gelaufen war, war sie mit dieser Erkenntnis bestens gefahren. Dann hatte sie sich plötzlich in einer Beziehung wiedergefunden, ohne eine Ahnung zu haben, wie sie überhaupt dort gelandet war. Der Mann war ein Meister der Manipulation, aber sie hatte sich mit purer Willenskraft wieder aus dem schwarzen Loch seiner Gehirnwäsche herausgewunden.
Vielleicht funktionierte dasselbe ja auch mit dieser unerschöpflichen Quelle klebriger, kitschiger Gefühle, die sich unerwartet in ihr aufgetan hatte! Ja, genau, sie würde sich einfach verdrücken. Natürlich erst, nachdem sie noch eine Weile ihren Spaß mit Ben gehabt hatte.
Ach, was machte sie sich vor: Wenn sie ehrlich war, wollte sie einfach nur, dass er bei ihr blieb. So lange wie möglich.
Mann, da hatte sie echt die Arschkarte gezogen.
Molly kippte den restlichen Kaffee herunter, als würde es sich um Schnaps handeln, und hastete zu ihrer Tasche, in die sie gestern Nacht in weiser Voraussicht auch ein Paar Stiefel gestopft hatte. Dann setzte sie sich ihre Mütze auf und zerrte sich den Mantel über die Arme.
Sie musste raus aus diesem Haus, weg von Ben und seinen ganzen Sachen und diesem schrecklichen Gefühl der … Intimität! Plötzlich hatte sie das Gefühl, in Treibsand geraten zu sein und mit jeder Bewegung tiefer zu versinken. Aber trotz ihrer Panik kehrte sie hastig noch einmal ins Schlafzimmer zurück, um die Fotos zu holen. Sie waren Kunstwerke, Poesie, die Ben nur für sie erschaffen hatte. Ihr Andenken.
Als sie die Tür öffnete, war sie dankbar, dass sie an die Stiefel gedacht hatte. Über Nacht hatte sich eine mindestens fünfzehn Zentimeter dicke Schneeschicht über Tumble Creek gelegt. Na ja, natürlich nicht über Bens Auffahrt. Die hatte er schon längst geräumt. Die der alten Mrs Lantern von nebenan war ebenfalls blitzeblank geschippt, und Molly zweifelte keine Sekundelang daran, wer sich darum gekümmert hatte.
Sie warf sich die Tasche über die Schulter und trat den Heimweg an. Am besten versenkte sie sich einfach tief in die Arbeit an ihrem Buch. Vielleicht bekam sie ja sogar heute noch den ersten Entwurf fertig? Sie hatte ihre Arbeit, und Ben Lawson war nicht der einzige wichtige Mensch in ihrem Leben. Kein Grund, vierundzwanzig Stunden am Tag über ihn nachzudenken.
„Genau“, murmelte sie und beobachtete, wie die kleinen weißen Dampfwölkchen, die aus ihrem Mund aufstiegen, in der eiskalten Luft davonwehten. „Du bist eine unabhängige Frau. Gebildet, gut gebaut, eine ausgesprochen interessante Gesprächspartnerin und finanziell abgesichert.“
Der Gedanke an Geld veranlasste sie dazu, ihr Handy aus der Tasche hervorzuwühlen und es wieder einzuschalten. Ihre Lektorin hatte versprochen, sich wegen der Verkaufszahlen des letzten Romans zu melden. Molly war ganz aus dem Häuschen, als die SMS mit der Mailboxbenachrichtigung auf ihrem Handy eintraf.
„Money, Money, Money …“, summte sie fröhlich vor sich hin – bis sie bemerkte, dass die Nachricht gar nicht von ihrer Lektorin stammte. Sie war von ihrer Mutter. Ebenso wie die zweite und dritte Nachricht. Molly hörte sich die
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