Ich komme um zu schreiben
Andrew Anweisungen zu geben, die mit einem wütenden „Dann wird er halt verdammt noch mal warten müssen, okay?“ endeten. Dann klappte er das Handy zu und trat aufs Gas.
„Was ist los?“ Keine Antwort, nur düsteres Schweigen. „Ben?“
„Dein Freund. Sitzt. In meinem Büro. Und erzählt meinen Mitarbeitern …“
„Ben …“
„Nein. Er erzählt meinen Mitarbeitern, dass er sich Sorgen um dich macht, Molly. Weil du ein ganz besonderes Date mit ihm hattest und nicht aufgetaucht bist.“
„Es tut mir so leid, ich hätte …“
„Du wusstest, dass er kommt, oder?“
„Äh …“
„Büromaterial“, stieß er hervor, als würde er einen grausamen Fluch aussprechen, und Molly zuckte zusammen.
„Ich wollte weg“, erklärte sie hastig. „Ich wusste, dass er vielleicht kommt, und ich wollte weg, weil ich ihn nicht sehen möchte.“
„Gott, Molly, wir sind doch nicht mehr in der Highschool. Man läuft doch nicht einfach weg und versteckt sich. Wenn du ihn nicht magst, dann sag es ihm ins Gesicht. So was nennt man erwachsenes Verhalten.“
Molly verschluckte sich fast an ihrer Wut. „Wie bitte?“
„Ich weiß ja, dass du Schwierigkeiten hast, zu kommunizieren, aber …“
„Du machst Witze“, keuchte sie.
„Offenbar hast du Probleme damit, irgendjemandem die Wahrheit über irgendwas zu erzählen …“
Molly gab ein tiefes Grollen von sich, das ihn zum Schweigen brachte. „Warum“, stieß sie hervor, „denkst du immer gleich das Schlechteste von mir?“
„Ach, hör schon auf. Dein angeblicher Ex freund kommt vorbei, weil ihr ein Date habt, und du rennst weg wie ein Kind, das Angst vor einer Strafe hat. Du hast doch sicher keine Sekunde lang darüber nachgedacht, was für einen Ärger deine Ignoranz für mich bedeuten könnte. Und jetzt halten mich alle meine Mitarbeiter für den letzten Trottel, und bald macht die Sache die Runde. Dann lacht sich die ganze Stadt über mich kaputt. Was zur Hölle könnte schlechter sein?“
„Du kannst mich mal, Ben Lawson.“ Mit diesen Worten drehte sie sich demonstrativ zum Fenster und sah hinaus.
Perfekter Tag, von wegen! Wie sollte man schon einen perfekten Tag verbringen, wenn man mit dem arrogantesten, voreingenommensten Kontrollfreak der Welt zusammen in einem Auto saß? Nicht dass sie das überraschte.
Da ihr sowieso nie irgendjemand irgendetwas zutraute, brauchte sich auch keiner zu wundern, dass sie die wichtigen Dinge in ihrem Leben für sich behielt. Nur weil sie versuchte, das Leben nicht allzu ernst zu nehmen, dachten ihre Freunde und ihre Familie, dass sie überhaupt nicht ernst sein konnte. Oder reif oder verantwortungsbewusst. Und sie hatten recht! Schließlich kam sie nicht mal mit diesem Monster von Exfreund zurecht. Aber das war nur einer der Gründe dafür, dass sie ihre Geheimnisse für sich behielt.
Solange niemand wusste, was sie tat, konnte ihr Vater nicht verärgert mit dem Finger auf sie zeigen und eine Erklärung verlangen. Und ihre Mutter konnte nicht herumglucken und ihr diesen besonderen Blick zuwerfen. Diesen „Ach, was hätte man auch anderes von Molly erwarten sollen“-Blick.
Ja, sie hatte auf dem College elfmal das Hauptfach gewechselt. Sie hatte eben noch nicht genau gewusst, was das Richtige für sie war! Und ja, sie hatte mal in Mexiko festgesessen. Konnte ja jedem passieren, der seinen Führerschein verschlampte. Und ja, sie war nicht ihr genialer Bruder, der den Zulassungstest fürs College mit fast voller Punktzahl bestanden hatte, gerade dabei war, lächerlich reich zu werden, arbeitete wie ein Tier und nie einen niedlichen Motorradfahrer mit tätowiertem Hals zu Hause angeschleppt hatte.
Ja, manchmal benahm sie sich verantwortungslos und respektlos, und sie war in Trigonometrie durchgefallen und konnte kein Haus aus beschissenen Baumstämmen bauen, geschweige denn aus Stahl und Glas.
Ja, sie war nicht perfekt. Aber deswegen war sie noch lange kein schlechter Mensch.
Nach dreißig Minuten eisigem Schweigen erreichten sie Tumble Creek. Molly sprang aus dem Truck und stapfte in die Polizeiwache, ohne auf Ben zu warten.
Cameron, wie immer makellos in seinem schwarzen Anzug und seiner lavendelfarbenen Krawatte, stand von dem Stuhl auf, den er ganz nahe an Brendas Tisch gerückt hatte, und besaß tatsächlich den Nerv, Molly ein strahlendes Lächeln zu schenken. Sein sorgfältig frisiertes dunkelblondes Haar verrutschte nicht um einen Millimeter, als er sich bewegte.
„Molly! Es geht dir
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