Ich komme um zu schreiben
wollte.
„Deswegen wollte ich dir nichts von Cameron erzählen. Und dann habe ich diesem Geistesgestörten klargemacht, dass ich nicht mit ihm nach Denver komme. Aber ich wusste ja, dass er trotzdem hier auftauchen würde. Darum habe ich dich aus Tumble Creek weggelockt. Es tut mir leid. Ich wusste ja nicht, dass er zur Polizeistation gehen und … oh Gott, es tut mir so unendlich leid.“
Er schüttelte den Kopf und versuchte zu vergessen, wie demütigend das Ganze für ihn gewesen war. Molly hatte nicht gerade klug gehandelt, aber sie hatte ihre Gründe gehabt … und sie besaß diesen ganz besonderen Charme. „Ich brauche keinen geschniegelten Großstadtcop, um zu kapieren, dass du Probleme hast, Molly. Ich habe mein halbes Leben in deinem Elternhaus verbracht. Ich mag deine Eltern, aber ich hätte damals jedes Mal im Boden versinken können, wenn sie wieder eine Lobeshymne auf Quinn angestimmt haben. Ich war damals dabei, als die Ergebnisse vom College-Einstufungstest gekommen sind …“
„Das reine Grauen“, warf sie ein.
„… und ich erinnere mich noch ganz genau an dein Gesicht, als dein Vater gelacht und gesagt hat, dass du im Sommer ein paar Zusatzkurse belegen solltest, damit du neben Quinn nicht ganz so schlecht dastehst. Und wie es damals dein Debattierklub ins County-Finale geschafft hat und deine Eltern lieber zu unserem Basketballspiel gekommen sind. Mein Gott, wenn ich von dem Finale gewusst hätte, wäre ich nicht zu meinem Spiel gegangen, sondern hätte dich angefeuert.“
Molly sah panisch zu ihm auf. „Bitte sag, dass du Cameron nichts davon erzählt hast.“
„Ich bin doch keins von deinen Weicheiern aus Denver! Dem Schleimscheißer würde ich es nicht mal sagen, wenn sein Arsch in Flammen stünde.“
„Gott sei Dank.“
„Aber worauf ich hinauswill: Ich verstehe ja, dass du Probleme hast, anderen zu vertrauen, und ich weiß auch, woher sie kommen. Ich verstehe sogar, warum du unbedingt deine Geheimnisse für dich behalten willst. Aber für die Zukunft merk dir bitte, dass ich gerne ein Geheimnis daraus machen würde, wie oft und was für Sex ich mit dir habe.“
„Ähm, ja. Ich … ich werde dran denken.“
„Das war nämlich mehr als nur ein bisschen daneben.“
„Ganz deiner Meinung. Manchmal geht mein Temperament leider mit mir durch.“
Er hob eine Braue. „Was du nicht sagst.“
Sie murmelte ein verlegenes „Tut mir leid“. Dann griff sie nach ihrem Frappuccino, trank einen Schluck und hielt sich dabei an der Flasche fest, als wäre sie ein Rettungsanker.
Seufzend ließ Ben sich in den Stuhl fallen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Na, dann lass uns mal alles in Ruhe durchgehen.“
Molly sah ihn aus schreckgeweiteten Augen an. „Was meinst du mit ‚alles‘? Ich halte es für keine gute Idee, wenn wir meine früheren Beziehungen sezieren!“
„All die Zwischenfälle, seit du nach Tumble Creek gezogen bist. Erklär mir ganz genau, warum du Cameron für unschuldig hältst.“
„Ah, das macht schon mehr Sinn. Also, sind wir …?“ Sie unterbrach das sorgfältige Studium ihrer Fingernägel und sah zu ihm auf. Bens Herz pochte plötzlich heftig gegen seine Rippen. Ihr Blick war auf einmal unsicher und furchtsam,alle Dreistigkeit war daraus verschwunden. Sie sah aus wie das kleine Mädchen von früher, das Kind, das in den Augen seiner Eltern niemals gut genug sein würde. Das Mädchen, das so oft nach Hause gekommen war, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Wie oft war Ben damals kurz zu Molly ins Zimmer gekommen, nur damit sie wusste, dass jemand bemerkt hatte, dass sie überhaupt existierte.
„Ist denn alles wieder gut zwischen uns?“, fragte sie.
Er wollte Nein sagen. Denn nein, natürlich war nichts wieder gut. Sie vertraute ihm kein Stück mehr als zuvor. Sie behielt immer noch Geheimnisse für sich und gab nur dann etwas preis, wenn man sie zwang, ihren Schutzwall aus Humor und Aufsässigkeit für einen kurzen Moment einzureißen.
Aber solange diese unendliche Einsamkeit in ihrem Blick lag, brachte er es einfach nicht über die Lippen. Also sagte er: „Alles gut“, unterdrückte aber immerhin den Impuls, sie in seine Arme zu ziehen und einfach nur festzuhalten. „Und jetzt erzähl mir alles.“
Was sie natürlich nicht tat. Aber sie erzählte ihm wenigstens etwas.
Danach rief Ben bei Kastens Vorgesetztem an, der ihm die Arbeitszeiten dieses Widerlings bestätigte. Und dann waren sie wieder genau da, wo sie angefangen hatten:
Weitere Kostenlose Bücher