Ich komme, um zu spielen (German Edition)
Lily zwar schockiert und bestürzt gewesen, als man ihr mitteilte, dass ihr Bruder einem Fieber erlegen war, hatte sich aber nicht gewundert, dass er sie zu seiner einzigen Erbin ernannt hatte. Das Wenige, das er besessen hatte, gehörte nun ihr. Seine Hinterlassenschaft bot ihr die Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen, weit weg von der Welt ihres verstorbenen Ehemanns.
Nur wenige Meter vor ihrer Haustür musste Lily den Eimer erneut absetzen. Sie richtete sich auf und streckte ihren Rücken durch. Gleich hatte sie es geschafft. Die Frauen hier ließen nicht alles von Bediensteten erledigen, sondern packten selbst mit an. Zwar hatte Lily ein Mädchen angestellt, das für sie kochte und putzte und ihr morgens in ihre Kleider half. Doch Lily wollte nicht mehr vollkommen abhängig sein, und es fühlte sich gut an, eine Aufgabe zu haben.
Sie lockerte ihre Arme und bückte sich nach dem Eimer. Als sie sich wieder aufrichtete, bemerkte sie, dass ein Mann ihr den Weg verstellte. Ein sehr großer Mann. Bei seinem Anblick breitete sich sengende Hitze in ihren Adern aus.
„Sheriff Hale“, flüsterte sie, als er vor ihr stand. Sie richtete den Blick zu Boden, so wie sie es immer tat, wenn er sich ihr näherte. Er hatte etwas an sich, das sie davon träumen ließ, sich zu seinen Füßen zusammenzurollen und zu schnurren wie ein kleines Kätzchen. Er war so stark, so selbstbeherrscht …
Er wich einen Schritt zurück. „Mrs Anders.“ Der tiefe Klang seiner Stimme drang ihr bis ins Mark. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“
„Nein, danke.“ Ihre Brustwarzen zogen sich zusammen, und sie wagte einen kurzen Blick in seine Augen. Ob er wohl gerade daran dachte, wie sie in der vergangenen Nacht ausgesehen hatte? Seine Züge waren hart und sprachen von Unnachgiebigkeit. Unwillkürlich schauderte Lily, und ein paar Tropfen Milch spritzten auf ihren Rock.
Sheriff Hale errötete so sehr, dass die Farbe selbst durch seine tiefgebräunte Haut zu sehen war. „Kommen Sie.“ Er streckte die Hand nach dem Eimer aus. Rau und hart strichen seine Finger über die ihren. Nein, dieser Mann war kein Gentleman, so hilfsbereit er sich auch geben mochte.
„Wie freundlich von Ihnen“, seufzte sie und bemerkte erleichtert, dass man den erregten Klang ihrer Stimme auch als Dankbarkeit verstehen konnte.
Sheriff Hale eilte auf ihre Haustür zu. Lilly musste sich sputen, um mit ihm Schritt zu halten. „Wo ist es Ihnen recht?“
Genau hier, hätte sie am liebsten gesagt, doch sie wies schweigend in Richtung der Küche im hinteren Teil des Hauses. Gestern Nacht hatte sie gehört, wie er heimkehrte, hatte gelauscht, wie er mit schweren Schritten die Treppe hinaufging. Schon früher war ihr aufgefallen, dass ihr Schlafzimmerfenster seinem genau gegenüberlag, und hatte sich ausgemalt, wie sie sich für ihn entkleidete. Wie sie eine Lampe entzündete und ihn zusehen ließ. Und gestern hatte sich die Gelegenheit wie auf dem Silbertablett präsentiert. Lily hatte nicht einmal versucht, der Verlockung zu widerstehen.
Genauso wenig wie er.
Bei der bloßen Erinnerung wurde ihr Geschlecht feucht. Das Gefühl, dass der Sheriff mit seinem großen Körper die ganze Küche auszufüllen schien, erregte sie. Er stand nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Würde er sie berühren? Würde er sie gegen die Wand pressen und seine schwieligen Finger um ihre Handgelenke legen? Würde er sie übers Knie legen, wie es ihr Ehemann getan hatte?
Lily hielt den Atem an.
Aber nein, er fasste sie nicht an. Natürlich nicht. Stattdessen stellte der Sheriff einfach den Eimer auf dem Tisch ab und trat an Lily vorbei in den schmalen Flur. Als sie ihn fortgehen sah, zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Nicht einmal nach vergangener Nacht interessierte er sich für sie?
Als sie gerade die Hoffnung aufgeben wollte, spannten sich seine Muskeln unter dem abgetragenen, hellen Baumwollhemd an, und er hielt inne.
Lily wartete. Vor Anspannung zitterten ihr die Knie. Was hatte er vor? Wollte er etwas sagen? Doch sie erhielt keine Antwort auf ihre Frage, denn der Sheriff schien es sich anders überlegt zu haben. Seine Schultern entspannten sich wieder, und er ging davon, ohne ihr auch nur einen Blick zuzuwerfen.
Doch zu ihrer Überraschung empfand Lily keine Enttäuschung. Nein, was sich da wellengleich und warm in ihrem ganzen Körper ausbreitete, war ein Gefühl der Macht.
Sie hatte Einfluss auf ihn. Sie war ihm nicht gleichgültig. Jetzt war Lily noch überzeugter
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