Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)
Doch ob ich damit wirklich Recht hatte, wusste ich nicht. Das würde ich erfahren, wenn ich in die entscheidende Phase vordrang. Wenn ich unsere Treffen nicht mehr als Zufall inszenierte, sondern die Absicht dahinter erkennen ließ. Wenn ich selbst mich zu erkennen gab.
Die komplette Vorgeschichte, alles, was bislang geschehen war, hatten wir einzig und allein für diesen Moment der Offenbarung geplant. Er würde über die Zukunft entscheiden, ähnlich wie bei einem Wettkämpfer, der monate- und jahrelang für die Olympischen Spiele trainiert.
Stellen Sie sich vor, Sie müssen mit einer ganz bestimmten Person, die »berufsbedingt« nichts mit Ihnen zu tun haben möchte, in Kontakt kommen. Und nicht nur das. Ihre Mission ist es darüber hinaus, genau diese Person dazu zu bringen, für Sie zu arbeiten. Und das auch noch unter extremsten Bedingungen. Hier geht es nicht darum, mal schnell ein paar Regale aufzufüllen, sondern vielleicht sogar brisante Aufträge zu übernehmen. An dieser Leistung werden wir als Agenten gemessen. Deshalb ist es unabdingbar, gut vorbereitet in die Offenbarung zu starten. Wie viele Hotelbars haben Sie in den letzten Tagen und Wochen observiert? Ich hoffe, es waren genug, damit Sie jetzt keinen Erfolgsdruck aufbauen. Denn
dieser Druck würde unsere Mission gefährden. Ihre wichtigste Aufgabe in diesem Moment ist es, Kontakt zu einer Schlüsselperson herzustellen, um eine kriminelle Organisation, auf deren Fährte Sie schon lange sind, zu zerschlagen. In dieses Ziel haben Sie und Ihre Kollegen Hunderte, vielleicht Tausende von Stunden investiert. Jetzt bietet sich die erste vielversprechende Chance seit langem. Wenn Sie jetzt versagen, ist alles dahin. Die ganze Mühe: Strategiemeetings, Analysen, technische Aufklärungsmaßnahmen, Observationen, Überstunden, umfassende Budgets. So ist es doch, oder?
Nein, so ist es nicht. Im Gegenteil, diese geistige Haltung ist der Anfang vom Ende. Mit jeder Zelle Ihres Körpers, mit jeder Regung, Ihrem ganzen Verhalten, mit allem, was Sie tun, sagen und denken, würden Sie genau diesen Erfolgsdruck ausstrahlen. Ob Sie wollen oder nicht, Sie würden hölzern und gekünstelt wirken. Der Druck würde Sie lähmen. Er würde Ihre Authentizität und natürliche Sympathie blockieren und damit jede emotionale Attraktivität. Insofern möchte ich Sie an dieser Stelle bitten, noch einmal in sich zu gehen, ob Sie mich hier und jetzt bei der folgenden Mission begleiten oder lieber noch eine Runde in der Hotelbar drehen.
Das Sicherheitsventil
Erstaunlicherweise steigen Ihre Erfolgschancen ab der Sekunde, in der Sie für sich beschließen, dass es sehr viel Wichtigeres gibt, als Ihr Ziel zu erreichen. Es hat keine existenzielle Bedeutung, ob Sie jetzt erfolgreich sind oder nicht. Egal wie die folgende Mission verläuft, die Welt wird nicht untergehen. Es ist vielleicht unangenehm für Sie, doch ernsthafte Folgen für Ihr Leben hat das nicht. Sie sind erfahren genug, um zu wissen: Sobald sich eine Tür schließt, geht eine andere auf. Und wer sagt denn, dass die geschlossene Tür sich
nicht doch noch öffnet. Nächsten Monat, nächstes Jahr, irgendwann. Sie stehen jedenfalls nicht davor wie bestellt und nicht abgeholt. Sie kontrollieren die Situation. Wann Schluss ist, bestimmen Sie. Sie legen die Spielregeln für Ihre persönliche Olympiade fest. Auch wenn es diesmal nicht klappen sollte: Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Es wird eine neue Chance geben. Sie brauchen bloß die Augen offenzuhalten, um sie zu erkennen — selbst Chancen kommen zuweilen undercover daher.
»Der Gespräch suchende Mitarbeiter des Verfassungsschutzes hat bei seiner Vorgehensweise in der Gesprächsführung den besonderen Charakter dieser Situation zu berücksichtigen. Immerhin ist es für den jeweiligen Gesprächspartner, egal ob Beamter eines Einwohnermeldeamtes oder Zielperson einer Werbung, eine nicht alltägliche Begebenheit, von dem Angehörigen eines Nachrichtendienstes kontaktiert zu werden. Entsprechend hat sich der Verfassungsschutzmitarbeiter auf das jeweilige Gespräch vorzubereiten. Leider kann er sich dabei jedoch nicht nur auf die Beachtung der Regeln der Gesprächsführung beschränken. Zur Erreichung seines nachrichtendienstlichen Zieles steht er vielmehr im Spannungsfeld verschiedener Befindlichkeiten: rechtliche Aspekte, taktische Aspekte, Fürsorgeaspekte.«
Quelle: Nachrichtendienstpsychologie, Band 1
Das Treffen
Die bedeutungsvolle Begegnung fand an einem
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