Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)
Messer lieferte, weil er sich in eine andere verliebt hatte und das als bequemen Weg sah, sie loszuwerden. In der Zusammenarbeit mit solchen V-Männern entwickelt sich bei uns Agenten häufig ein schlechtes Gefühl. Es ist offensichtlich, dass manche V-Leute versuchen, uns ausschließlich einseitig zur Erfüllung ihrer eigenen Interessen zu instrumentalisieren. Dieses Spiel währt so lange, bis der Agent es schafft, zur Beziehungsebene vorzudringen. Bis dahin ist der V-Mann ein R-Mann, ein Risiko-Mann. Zu Beginn der Zusammenarbeit kommt das schon mal vor. Aber dieses Level muss schnellstens verlassen werden. Solange die persönliche Bindung fehlt, wird es immer an Ernsthaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein mangeln. Ein V-Mann in diesem Stadium wird lediglich Informationen weitergeben, die er selbst gerne offenlegt — um seinen Vorteil daraus zu ziehen, beispielsweise in einer Organisation aufzusteigen oder einen Konkurrenten zu verdrängen. Er wird alles tun, um die sensiblen Bereiche zu verschleiern, und die Verbindung, wenn nötig, von einer Sekunde auf die nächste abbrechen. Ein V-Mann,
mit dem wir kooperativ zusammenarbeiten, wird das nicht in Erwägung ziehen, denn er kennt den Wert, einen starken Partner zu haben und nicht allein zu sein. Er kann bis zum Schluss darauf vertrauen, dass jemand da ist, der sich um ihn kümmert. Doch das sind völlig andere Ebenen. Der entscheidende Punkt ist, ob es gelungen ist, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Solange das nicht geschehen ist, bleibt ein Agent des Nachrichtendienstes für den V-Mann austauschbar. Oder verzichtbar.
»Der V-Mann-Führer sollte der Quelle gegenüber sein Interesse als Mensch bekunden und ehrliches Interesse an ihrem privaten Wohlergehen zeigen. Dazu gehört, dass regelmäßig private und berufliche Angelegenheiten des V-Mannes erörtert werden und beim Auftreten von Problemen Hilfestellungen gegeben werden. Trotz der im Verhältnis von VM-Führer und VM erforderlichen menschlichen Nähe darf sich zwischen beiden Personen keine Kumpanei entwickeln. Der VM-Führer wäre dann außerstande, die Person und das Verhalten des V-Mannes einschließlich der von ihm übermittelten Informationen mit der notwendigen Objektivität zu betrachten. Zudem bestünde die Gefahr, dass der VM-Führer nicht mehr als Autoritätsperson respektiert würde und damit seiner Führungsfunktion nicht mehr gerecht werden könnte.«
Quelle: Nachrichtendienstpsychologie, Band 1
KGB
Tichow hatte mir stets die Wahrheit gesagt — das, was er mir erzählt hatte, konnte jedes Mal verifiziert werden. Doch bisher war es auch noch nicht um Dinge gegangen, die wehtaten, sondern um relativ kleine Fische. Nun war es Zeit, nach Hintermännern zu
fragen. Herauszufinden, wie viel er wusste und wen er kannte. Sicher gehörte er nicht zu einer der oberen Führungsriegen. Andererseits war Tichow ein aufgeweckter Kerl, der Augen und Ohren offenhielt. Ich musste wissen, ob Tichows Verbindungen in Wladimir L.s Gruppierung hineinführten, denn dessen Ausschaltung war unsere erklärte Mission. Viele Menschen arbeiteten seit Jahren daran, Wladimir L. das Handwerk zu legen. Und das war alles andere als einfach, denn seine Abschottung schien bestens zu funktionieren. Unsere Annahme, Tichow gehöre zu seinem Netzwerk, bestand weiterhin. Dass Tichow mir dies bislang verschwiegen hatte, wunderte niemanden. Wladimir L. war eine zu große Nummer, und Tichow wusste, was mit undichten Stellen geschieht. Unser Plan sah vor, Tichow innerhalb der Organisation aufsteigen zu lassen, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen.
Tichow musste seine Bewährungsprobe bestehen. Kannte er seine Hintermänner und würde er sie preisgeben? Solche brisanten Informationen zu liefern, bedarf einer soliden Vertrauensbasis: Sie stellen nicht nur die Loyalität des V-Mannes auf die Probe, sie setzen ihn zudem einer Zerreißprobe aus und auch größeren Gefahren. So etwas wie Vergebung ist in Mafiakreisen nicht bekannt. Ein Verrat wird nur einmal begangen, für ein zweites Mal fehlt dem Betreffenden der Atem. Buchstäblich. Trotzdem musste ich das Thema Hintermänner angehen. Nun würde unser »Spiel« wirklich beginnen. Die notwendige Vorarbeit war geleistet.
Inzwischen wussten wir viel über Tichow. Wir wussten aber auch, dass es noch mehr gab, was wir nicht wussten, und — das ist der wirklich spannende Teil — dass Tichow nicht wusste, was wir über ihn wussten und was nicht.
Ein V-Mann weiß nie, was der
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