"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)
habe, und damals auf gar keinen Fall zunehmen wollte - etwa vor 12 Jahren - immer wieder regelmäßig, mal mehr, mal weniger intensiv laufe.
Bis ich mich auf den Lauf mit meinem Freund eingelassen habe, der von Anfang an gemeinsam laufen wollte. Ich hatte vorher meine eigene Theorie und war mir sicher, dass man am besten alleine läuft, damit man sich nicht abhängig macht und unnötig Rücksicht nehmen muss, doch er lehrte mich eines Besseren und so begann ich wiederintensiver zu laufen. Es hat gut getan und riesig Spaß gemacht, immer wieder und wieder.
Jetzt lauf ich wieder allein und darum wieder eher weniger intensiv, weil er wegen Knieproblemen ausfällt. Ja, und dann kam die Idee. Ich wurde ich sozusagen infiziert. Sensibilisiert war ich ja schon. Eine Bekannte schlug mir vor, den Hamburg-Marathon im April nächsten Jahres zu laufen. Bis dahin war es ja noch ein Stück und es hätte noch allerhand an Training eingeschoben werden können. Zur Vorbereitung war der Ratzeburger Adventslauf im Gespräch. Ich merkte, wie sehr mir die Idee gefiel und wie unweit ich davon weg war. Doch ein Blick ins iPhone und schon wieder nix. Zum 27.11. stand da „Urlaub“ und ich werde ich außer Landes sein und somit hab ich eingesehen: Lass den Dingen ihren Lauf…
Andrea Wechsler
Ein Sieg über sich selbst
Nach 8 Jahren „Untreue“ zurück auf den langen Kanten über den Rennsteig
In einer Zeit, in der sich ein Mensch seinen Weg auf die Welt bahnt und ein Flugzeug den „Großen Teich“ überquert, laufe ich über den Rennsteig. 66,5km - eine Distanz, die weit über der eines Marathons liegt und für viele jenseits des Vorstellungsvermögens. Wie weit kann der Mensch laufen, wo liegen die Grenzen? Der reizvolle Versuch, diese gesuchten Grenzen zu ertasten und dabei die totale Auslastung seines Körpers zu erreichen, scheint wohl der Grund für meine chronische Laufsucht seit dem 16. Lebensjahr zu sein.
Für fast alles gibt es Haltbarkeitsfristen. Sollte dies auch für Ausdauerkräfte gelten? Acht Jahre, fast ein Jahrzehnt sind vergangen, seitdem ich das letzte Mal die Mega-.Anstrengung auf mich genommen hatte, jenseits der Marathondistanz zu laufen. Mag sein, es war die Befürchtung, dass der Anspruch auf die Bezeichnung „Rennsteigläuferin“ nach acht Jahren verjährt sein könnte. Oder vielleicht eher mein jährliches, stets im Mai aufkommendes, wehmütiges Gedenken an Europas größten Crosslauf, dem ich – nachdem ich potentiellen Rennsteignachwuchs in die Welt gesetzt hatte – untreu geworden war.
Am Tag des 94er Rennsteiglaufs fasste ich den festen Entschluss, wieder dabei zu sein, und wenn schon, dann gleich auf derüberlangen Strecke. Erste Laufversuche erfolgten im „Großen Garten“ über zehn Kilometer – eine überschaubare Distanz. Die erste Steigerung auf 15 Kilometer, dann 20, dann 30. Die restlichen Kilometer beim Rennsteiglauf sollten Risiko sein.
An der Hohen Sonne, kurz vor sieben. Das bunte Gewimmel der mit Energie vollgepfropften Läufer, das zum einen aus Neulingen und zum anderen aus Rennsteig-Routinierten mit bereits zweistelligen Teilnahmezahlen, füllt allmählich den Hohlweg aus, während die Organisatoren noch mit vor Kälte steifen Fingern auf den Tastaturen der Computer herumhacken, um den Letzten die Startunterlagen zu überreichen.
Dann erfolgt der Countdown, der, wie immer von allen laut gezählt die Zeit bis zum Start in spannende Sekunden zerlegt. Es ist ungewöhnlich kalt und in der Angst in meiner kurzen Bekleidung zur Feinfrostware zu werden, beneide ich sogar den betagten Läufer, der in Feinstrumpfhosen rennt. Ein erstes Zuschmunzeln bei der Wiederbegegnung am Futternapf macht deutlich, dass Flirten auf dem grünen Grat des Thüringer Waldes das zwangsläufige Resultat einer unvergleichbaren Verbindung von Anstrengung, verdeckter Konkurrenz, gemeinsamem Ehrgeiz und gemeinsamen Schmerzen ist. Und eben da, an den Verpflegungsstellen, wo sich die Frauen in Erwartung des Ansturms einer hungrigen Bande von 1300 Mann beim Äpfelteilen die Hände wund schneiden, schütte ich den altbewährten Haferschleim, das pappig-breiige Benzin des Läufers, in mich hinein. Sieben Becher insgesamt.
Die wahren Tankstellen aber sind die Zuschauer. Ihr Klatschen, ihre Zurufe, spenden unentbehrliche Erfrischung, treiben voran, und kullern als Glücksschauer über den Rücken.
Frauenzähler kommen mir entgegen. Ich wäre die dreißigste. Aber noch ist nichts entschieden. Profilwechsel und
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