"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)
abgeschaltet, mich auf den leicht unebenen Weg konzentriert und kurz durchgeatmet.
Ich lief an dem Abzweig vorbei durch eine Umgebung, die mir vollkommen unbekannt war, wusste nur, dass die Richtung stimmte und wo ich ungefähr abbiegen musste, um nach Hause zu gelangen. Rechts ein kleiner See, rundherum alles grün. Ich lief jetzt ohne größeres Herzklopfen oder eine Spur von Aufregung. Trotz der Anstrengung schien alles in mir entspannt, der Alltag war vergessen.Ich genoss die Freiheit ohne die leiseste Ahnung, wie weit sich die Strecke noch hinzog.
Plötzlich erschien links neben mir die Raffinerie. Dahinter führte mein Weg instinktiv links entlang, über einen Parkplatz, eine bekannte Straße und weiter Richtung Auwaldsee. Ich erinnerte mich an frühere Spaziergänge und lief rechts um den See herum. Kurzer Blick auf die Uhr, ich war bereits 45 Minuten unterwegs. Ich war mir sicher, dass ich den kürzeren Weg um den See gewählt hatte. So ganz allmählich fühlte ich schon, dass ich länger in Bewegung war. Mir war doch ziemlich warm. Der Weg kam mir immer länger vor, bis ich bemerkte, dass ich tatsächlich die längere Strecke um den See unterwegs war. Egal, ich wollte es unbedingt schaffen. Ohne Pause, langsam zum Ziel kommen. Den Körper beherrschen, ohne mich zu quälen. Ich ließ den Blick über den See schweifen. Sah, wie sich die untergehende Sonne darin spiegelte. Ruhig und friedlich. Ebenso wie mein Atem. Noch ein Blick auf die Uhr: Eine Stunde durchgelaufen. Mein Herz wollte vor Freude hüpfen, ich hielt es aber noch im Zaum. Ich lief den Abzweig zur Hauptstraße, durch die Einkaufsstraße. Diesen etwas unangenehmen Rest der Strecke wollte ich auch noch schaffen. Kurzer Halt an der Ampel, über einen Parkplatz und durchs Gewerbegebiet. Eine Teerstraße zweihundert Meter geradeaus. Ich wurde langsamer, bis ich im Schritttempo unterwegs war. Ich fühlte mich genial, kräftig und gesund. Kurz vor der Haustür sah ich noch einmal auf die Uhr: eine Stunde, fünfzehn Minuten.
Das ließ ich mir nun erst mal in Ruhe durch den Kopf gehen, während ich mit leichten Dehnungsübungen die Treppe zur Wohnung hochging. Oben empfing mich freudig mein lieber, vierbeiniger Trainer.
Kristina Tille
Venga! Venga! Animo!
Im Trail-Fieber auf Gran Canaria
Der Flieger setzt auf. Las Palmas. Hier, wo andere Urlaub machen, soll für mich in den nächsten Tagen ein großes Abenteuer, meine bisher größte sportliche Herausforderung, ihren „Lauf“ nehmen. „Transgrancanaria“ ist mein großes Ziel. Dahinter verstecken sich 123 Kilometer Geröll, Schlamm, Kletterpassagen – gespickt mit 8.500 Höhenmetern. Es gilt, die Insel vom Süden (Maspalomas) über einige Bögen bis in den Norden (Las Palmas) zu überqueren. Angereist bin ich mit Ulla, Rolf und Andy. Wir sind hibbelig aufgeregt, heiß auf das gemeinsam lang geplante Unternehmen. Die Männer und ich haben die 123 Kilometer auf dem Plan. Ulla möchte sich dem angebotenen Marathon stellen.
Spätestens hier am Flughafen wird mir langsam mulmig. Hab ich mir das richtig überlegt? Ich entdecke all die typischen „Verdächtigen“, die vom spanischen Festland kommend, auf Gran Canaria landen. Ihr Ziel ist unschwer zu erkennen. Athletische spanische „echte Kerle“… auf dem Weg zur Startunterlagenausgabe. Leichte Zweifel, meinen Trainingszustand betreffend, machen sich in mir breit.
Per Mail hatte ich von Jens Vieler, einem erfahrenen Ultraläufer, der 2010 den Trans finishte, gehört, dass dieser Trail nichts für Anfänger in diesem Segment sei und man wohl schon möglichst erfahrener 24 h-Läufer mit „Vorstrafen“ im extremen Trail-Running sein sollte. Das bin ich mit meinem Rennsteig-Supermarathon und dem Rodgau-Ultra noch lange nicht! Die Vorfreude und auch das Urlaubsgefühl lassendennoch die Zweifel schnell in die Schublade ´Ignoranz´ verschwinden. Eine Flasche Sekt (oder waren es zwei?) lassen Adrenalin, Mut und Abenteuerlust sprudeln.
Bis zum Start gilt es dann einfach nur noch zu entspannen, Kräfte zu schonen und Rucksack zu packen. Immer wieder gehen wir die Pflichtausrüstung durch. Dazu gehören: Stirnlampe, Ersatzbatterien, mindestens zwei Liter Wasser, ausreichend Kalorien, um die Strecke autonom überstehen zu können, Wärmedecke, Becher, funktionierendes Handy mit Notfallnummer. Wir bewaffnen uns außerdem mit Tape-Material, Pflaster, Jacke, Handschuhen und Fotoapparat. Mit dem Bus werden wir dann zu nächtlicher Stunde zum Start nach
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