Ich lebe lieber hier und jetzt
apfelweißen Haut, als Dan
je gesehen hatte. Jedenfalls in der Öffentlichkeit.
Ohne nachzudenken drängelte er
sich durch die Tanzenden, stellte sich hinter Vanessa und küsste sie auf den
Nacken. Ihr schoss das Blut in die blassen Wangen, und sie wirbelte auf ihrem
Barhocker herum, wobei sie beinahe ihre geliebte Kamera fallen gelassen hätte.
»Man muss ja wirklich nicht
sofort studieren...« Serena brach mitten im Satz ab und riss die Augen auf,
weil Dan und Vanessa übereinander herfielen wie zwei brünstige, ausgehungerte
Tiere.
Schnitt!
Jenny beschloss, die Gunst des
Augenblicks zu nutzen. In der Hoffnung, Serena würde glauben, sie hätte sie
versehentlich gerempelt, rammte sie ihr eine Schulter in die Hüfte. »Oops...
hallo! Äh, herzlichen Glückwunsch«, stotterte sie verlegen. »Wow, voll cooles
Teil, was du da anhast.«
Wäre Serena Blair oder
irgendeine andere Zwölftklässlerin gewesen, hätte sie Jenny vermutlich mit
einem spitzen »Dankeschön« abgefertigt und sich gefragt, was diese anmaßende
Neuntklässlerin überhaupt auf einer Unizulassungs-Party zu suchen hatte. Aber
Serena fertigte nie jemanden ab. Genau das gehörte zu den Eigenschaften, die
sie so bezaubernd machten - oder so bedrohlich, je nachdem, wer man war und was
man von ihr wollte. Abgesehen davon war Jenny zufälligerweise in der Diskussionsgruppe,
die Serena zusammen mit Blair leitete. Es war also nicht so, als würden sie
sich nicht kennen.
Jenny hatte sich die Haare
schneiden lassen. Vorn fielen sie ihr jetzt als dicker glatter Pony in die Stirn
und lockten sich an den Seiten bis zum Kinn. Ihre Haare waren genauso braun
wie ihre großen, runden Augen. Der strenge Bob stand ihr gut.
»Hey, toller Schnitt!« Serena
glitt von ihrem Hocker, damit sich Jenny nicht blöd vorkam, weil sie stehen
musste. »Du siehst aus wie das Model aus der neuen Prada-Werbung.«
Jenny fielen beinahe die
braunen Kulleraugen aus dem Kopf. »Echt, findest du? Danke!« Sie fühlte sich,
als hätte ihr jemand mit einem Zauberstab auf die Schulter getippt.
Der Barkeeper schaute fragend
und Serena bestellte zwei Gläser Champagner. »Dir macht es doch nichts aus,
einen mitzutrinken, oder?«, fragte sie Jenny.
Jenny war sprachlos. Ob es ihr
etwas ausmachte? Es war ihr eine absolute Ehre! Sie fuhr mit dem Zeigefinger
über den feuchten Rand des schmalen Glases. »Hast du denn in letzter Zeit mal
wieder gemodelt?«, fragte sie. »Die Anzeige für das Parfüm war nämlich echt
schön.«
Serena guckte gequält und trank
einen Schluck Champagner. Vor zwei Monaten hatte der Designer Les Best sie gebeten,
für seinen neuen Duft zu modeln, und hatte das Parfüm letztendlich sogar
»Serenas Tears« genannt. In der Anzeige stand Serena mitten im Winter in einem
gelben Sommerkleid auf einer hölzernen Fußgängerbrücke im Central Park und
weinte. Entgegen landläufiger Meinung handelte es sich allerdings nicht um
künstliche Tränen. Das Foto war in dem Moment aufgenommen worden, als sich
Blairs dreadlockiger veganischer Stiefbruder Aaron Rose von ihr getrennt hatte;
exakt in dem Augenblick, in dem die Tränen geflossen waren.
»Ich überlege, ob ich es nicht
mal als Schauspielerin probieren soll.«
Jenny nickte eifrig. »Es ist
aber auch irre, wie realistisch du in der Anzeige aussiehst. Also... was ich meine, du
siehst natürlich super aus, aber eben überhaupt nicht so, als wärst du
hingeschminkt worden oder als hätten sie hinterher was im Computer gemacht.«
Serena kicherte. »Wenn du
wüsstest, wie viel Make-up ich im Gesicht hatte! Die schmieren einen mit so
einer ekelhaften beigen Pampe ein, weißt du? Und ich hatte die totale
Gänsehaut. Die haben sie später wegretuschiert. Ich hab mir den Arsch
abgefroren, glaub mir!«
Die Lichter über der Theke
erloschen und alles kreischte. Einen Moment später gingen sie wieder an. Jenny
zuckte nicht mit der Wimper, weil sie so wirken wollte, als wäre sie ständig
auf abgedrehten Partys.
»Modeln kann echt jeder«,
versicherte ihr Serena, die froh war, aus ihren düsteren Zukunftsgrübeleien
gerissen worden zu sein. »Wirklich. Man muss bloß den richtigen Look haben, der
für ein Produkt gesucht wird.«
»Hm, vielleicht.« Jenny sah sie
skeptisch an. Serena hatte leicht reden, schließlich war sie von der Natur mit
giraffenlangen Beinen, einem überirdisch schönen Gesicht, traumhaft
meerblauen Augen und langen, vollen blonden Haaren bedacht worden. »Aber woher
weiß man, ob man den Look hat, den sie
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