Ich lebe lieber hier und jetzt
Wildlederschuhen leicht deplatziert fühlen und sehnsüchtig
darauf warten, sie sagen zu hören: Komm, lass uns hier abhauen und irgendwo Kaffee
trinken.
Serena zögerte. Sie wollte dieses
Mädchen sein. Sehr gern sogar. Wirklich. Das Mädchen, das mit seinem Freund
Kaffee trinken geht. Als Paar. Aber sie wollte es nicht so sehr, dass sie dafür auf die
Party verzichtet hätte. Plötzlich fasste sie jemand um die Taille und bog sie
schwungvoll nach hinten. Serena stockte der Atem, als sie in das markante
Draufgängergesicht von Drews sportlichem Mitbewohner blickte. »Woah!« Sie riss
die Augen auf.
»Du erinnerst dich vielleicht
noch an Wade?« Drew guckte noch unbehaglicher drein als vorher. »Er wollte
unbedingt mitkommen.«
Wade zog sie an sich und
drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Schmatz! »Na, was ist? Freust du dich?«, fragte er.
Serena wollte nicht
unersättlich erscheinen, aber sie musste zugeben, dass sie sich tatsächlich
freute. Für sie konnte die Party gar nicht groß genug sein. Sie fuhr herum, als
ihr eine schlanke rotblonde Frau mit adretter schwarzer Kate-Spade-Handtasche
auf die Schulter tippte, »'tschuldigung. Kennst du zufälligerweise einen Nate
Archibald?«
Serena nickte. »Der ist aber
schon weg.« Drew stand immer noch neben ihr, hatte die Hände in den Taschen
versenkt und sah ein bisschen verloren aus. »Das ist übrigens Drew«, stellte
Serena ihn ihr aus einer plötzlichen Eingebung heraus vor. »Er ist ein Freund
und studiert in...«
»Harvard.« Drew streckte der
Rotblonden auf seine charmant-täppische Art die Hand hin.
Am anderen Ende des Zimmers
gaben die Whif- fenpoofs den Backgroundchor für die Raves. Sie sangen wirklich
verdammt gut. Serena stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihnen zuzuwinken,
und alle zehn warfen ihr Kusshände zu. Aber halt. Fehlte nicht noch einer? Der
Künstler von der Brown? Liebte er sie denn nicht so sehr wie die anderen?
Und wie er sie liebte.
Erst jetzt bemerkte Serena die
Leute, die sich am Fenster drängelten und auf die Straße schauten. »Nimmst du
mich huckepack?«, bat sie Wade zuckersüß.
Wade trug Serena zum Fenster
und sie blickte über die Köpfe der anderen hinweg neugierig nach unten. Jemand
sprayte in Grün und Gold etwas an die gegenüberliegende Hauswand. Der schwarz
gelockte Hinterkopf gehörte unverkennbar Christian. Als das Bild nach einiger
Zeit Form annahm, entpuppte es sich als Porträt von Serena mit
fluoreszierenden grünen Schmetterlingen im Haar und prächtigen goldenen
Engelsflügeln.
Serena kicherte. Christians
gemaltes Kompliment machte sie verlegen, aber es schmeichelte ihr auch ungeheuer.
Vielleicht war es ja gar nicht die wahre Liebe, nach der sie suchte. Vielleicht
war es nur... Liebe. Und die fand sie immer und überall.
b
hatte schon immer spitze zähnchen
»Geh lieber hier lang«,
flüsterte Blair. »Da vorne knarzt der Boden so.«
Auf Zehenspitzen schlich Nate
hinter ihr her durch das Babyzimmer, das nur durch ein Nachtlicht in Form eines
Mondes schwach erhellt wurde. Hinten in einer Ecke stand der mit weißer Spitze
gesäumte Stubenwagen, in dem Yale schlummerte, und am Fenster hielt das lebensgroße
graue Pony Wache, das Nate von FAO Schwarz hatte liefern lassen.
Das Baby war in eine zartrosa
Decke gehüllt, lag auf dem Rücken und sah ziemlich faltig, rot und neugeboren
aus.
»Guck mal, wie sich ihre Augen
unter den Lidern bewegen«, wisperte Blair. »Sie träumt.«
Was träumt jemand, der erst so
kurz auf der Welt ist?, fragte sich Nate. Wahrscheinlich war es wie bei ihm,
wenn er total zugequarzt eindöste. Er träumte weniger, als dass er fühlte. Und er wachte immer hungrig
auf.
Blair griff in den Stubenwagen
und holte eine kleine silberne Rassel heraus. Sie sah aus wie eine Miniaturhantel.
»Meine alte Rassel. Guck, da sind lauter Bissspuren dran.«
Sie hielt sie Nate hin. Auf den
ersten Blick sah sie glatt aus, aber als er sich vorbeugte, erkannte er unzählige
kleine Einkerbungen im Silber. Es überraschte ihn gar nicht, dass Blair schon
als zahnendes Baby unersättlich und wild gewesen war. Wobei sie jetzt ganz
entspannt wirkte, als hätte sie selbst Ruhe gefunden, indem sie das Baby
beruhigte.
Als er Blair die Rassel
zurückgab, klapperte sie geräuschvoll. Yale bewegte sich, wimmerte, zuckte mit
Ärm- chen und Beinchen, und ihr Gesicht runzelte sich wie eine getrocknete
Aprikose.
Blair beugte sich über die
Wiege und nahm das Baby hoch. »Schsch«, machte sie sanft. »Es
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