Ich leg dir die Welt zu Fuessen
klein die Lichter von Crossfeld House durch den dichten Schneeschleier blinken, was hieß, dass sie zwar noch auf dem richtigen Weg war, ihre Reifen aber längst nicht so viel taugten, wie sie gehofft hatte. Schieben kam nicht infrage, dafür war die Maschine zu schwer.
Nachdem sie eine weitere Stunde im Schneckentempo dahingekrochen war, begann die eisige Nässe ihre Kleidung zu durchdringen. Allmählich wurde die Lage brenzlig.
Jetzt kam sie gar nicht mehr weiter. Sie stieg ab, packte den von ihrer Mutter liebevoll zubereiteten Proviant aus, biss dankbar in ein Käsesandwich und spülte es mit einem Schluck heißem Kaffee hinunter.
Dann zog sie schweren Herzens ihr Handy hervor und wählte Roses Nummer.
3. KAPITEL
Lizzy sah, wie die Scheinwerfer langsam näher kamen und sie erfassten. Dies war nicht der klapprige alte Geländewagen, den Louis am Straßenrand hatte stehen lassen, sondern ein schwarzes, chromblitzendes Ungetüm. Und es war unschwer zu erkennen, wer am Steuer saß.
„Geh nur ja nicht zu Fuß weiter“, hatte Rose sie beschworen, als Lizzy ihr am Telefon die Lage geschildert hatte. „Louis holt dich ab. Mit seinem neuen Wagen ist er im Nu bei dir.“
Als sie jetzt winkend auf sich aufmerksam machte, wünschte Lizzy fast, sie hätte es doch noch einmal auf eigene Faust probiert.
„Sind Sie denn wahnsinnig geworden?“ Louis schwang seine langen Beine aus dem Wagen und stemmte sich gegen den eisigen Wind. „Was zur Hölle ist in Sie gefahren, einen solchen Stunt hinzulegen? Ab in den Wagen mit Ihnen!“
Lizzy biss die Zähne zusammen. Im Gegensatz zu ihrer ersten Begegnung, als sie ihn aufgelesen hatte, trug er diesmal wetterfeste Kleidung. Robuste Jeans, die in fellgefütterten schwarzen Gummistiefeln steckten, dazu eine dicke Wachsjacke, unter der sich vermutlich mehrere Lagen Pullis befanden. Er lernte schnell.
„Ich kann die Maschine nicht hier stehen lassen.“ Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Sie würde Schaden nehmen.“
„So ein Pech aber auch. Daran hätten Sie denken sollen, bevor Sie sich auf den Weg machten, Ihre Schwester zu retten. Die Ihrer Hilfe übrigens gar nicht bedarf.“ Er riss die Beifahrertür auf. „Ich zähle bis drei. Wenn Sie dann nicht im Wagen sind, können Sie hier Ihr Nachtlager aufschlagen.“
„Das würden Sie nicht wagen.“
„Provozieren Sie mich nicht. Ich wurde mitten aus einer Telefonkonferenz gerissen und bin nicht gerade in bester Laune.“
Ohne ein weiteres Wort kletterte Lizzy auf den Beifahrersitz. Eigentlich hätte sie sich bedanken müssen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. „Tut mir leid, dass ich Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet habe“, war alles, wozu sie sich durchringen konnte.
„Sie sind wirklich wahnsinnig.“
„Ich bin schon öfter im Schnee Motorrad gefahren.“
Louis musterte sie von der Seite. Trotz Lederjacke, Stiefeln und Schal sah sie völlig durchnässt aus. Nur ihre dunkle Lockenmähne war unter dem Helm trocken geblieben.
„Es wundert mich, dass Ihre Eltern Sie überhaupt aus dem Haus gelassen haben.“
„Ich bin dreiundzwanzig. Ich kann tun und lassen, was ich will.“
„Und das gibt Ihnen das Recht, Ihre Familie in Angst und Schrecken zu versetzen?“
„Ach, hören Sie auf! Seit wann interessiert es Sie, wie es meiner Familie geht?“
„Sie sind stur. Eigensinnig. Arrogant. Und Sie reden, ohne nachzudenken. Kein Wunder, dass Ihre Mutter die Hoffnung aufgegeben hat, Sie jemals an den Mann zu bringen.“
Lizzy atmete tief durch und zählte in Gedanken bis zehn, bevor sie kühl erwiderte: „Denken Sie von mir, was Sie wollen. Vielleicht bin ich ein klein wenig eigensinnig, mag sein. Aber ich bin nicht arrogant.“
„Es war aber arrogant von Ihnen, zu glauben, Ihre Schwester könne keine Nacht in Crossfeld House überstehen, ohne dass Sie ihr zu Hilfe eilen.“
Lizzy unterdrückte das leise Unbehagen, das sie bei seinen Worten befiel. „Rose ist nicht wie ich“, hielt sie ihm entgegen. „Sie kann sich nicht wehren. Was ist falsch daran, für die Menschen zu sorgen, die man liebt?“
„Gar nichts. Nur dass diese Menschen manchmal ganz gut allein auf sich aufpassen können. Weil sie sich zwischenzeitlich weiterentwickelt haben, ohne dass man es bemerkt hat.“
„Wenn Rose auf sich selbst aufpassen kann, müsste dasselbe dann nicht auch für Nicholas gelten?“
„Da haben Sie recht. Vielleicht braucht er meine Unterstützung gar nicht.“
Wieder sah er sie von
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