Ich leg dir die Welt zu Fuessen
mutiger, als den ganzen Tag am Kamin zu hocken, über die Kälte zu jammern und keinen Schritt vor die Tür zu wagen.“
Tödliche Stille folgte seinen Worten, bis Eloise zu kichern begann. Jessica, kreidebleich im Gesicht, maß ihre Schwester mit einem vernichtenden Blick.
„Ich dachte, du magst Frauen, die wie Frauen aussehen“, sagte sie beleidigt.
„Oh, das tue ich, glaub mir.“ Louis’ warme dunkle Stimme und der lange, vielsagende Blick, den er Lizzy zuwarf, verursachten ihr eine wohlige Gänsehaut. Die Luft zwischen ihnen schien vor Spannung zu knistern.
„Mir ist jedes Zimmer recht“, meinte sie heiser. „Wir Biker sind hart im Nehmen. Kommst du, Rose?“
Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Nicholas die Szene aufmerksam beobachtete und Eloise sich hinter ihrer Zeitschrift versteckte, während Jessica wütend die Lippen zusammenpresste.
Rose schien von alldem nichts zu bemerken. Sie lebte in ihrer eigenen kleinen Welt.
Während Lizzy ein langes heißes Bad nahm, lauschte sie zerstreut dem heiteren Geplapper ihrer Schwester durch die angelehnte Tür. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Louis zurück. Es hatte sie erstaunt, wie er sie angesehen und Jessica gegenüber für sie Partei ergriffen hatte. Je besser sie ihn kennenlernte, desto weniger entsprach er dem Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte.
Und das Schlimmste war: Er interessierte sie. In seiner Nähe fühlte sie sich so wunderbar lebendig! Sie tauchte den Kopf unter Wasser, um wieder zur Vernunft zu kommen. Doch auch das half nicht.
„Die beiden sind gar nicht so schlimm“, hörte sie Rose sagen, während sie den Bund der viel zu langen Hose mehrmals umschlug, die ihre Schwester ihr geliehen hatte. Das hautenge Jerseytop war auch nicht gerade ihr Stil, und bevor sie in ein Paar rosa Plüschpantoffeln schlüpfte, ging sie lieber auf Socken.
„Ich meine, Jessica ist hin und wieder ein bisschen schnippisch“, räumte Rose ein, „aber das überhöre ich einfach. Und Eloise ist wirklich süß.“
Eitel Sonnenschein also, wohin man blickt, dachte Lizzy. Auch wenn ihr die ironischen Seitenhiebe nicht entgingen, die Jessica im Laufe des Abends wiederholt in die Unterhaltung einfließen ließ. Boshafte kleine Spitzen, getarnt durch unschuldige Augenaufschläge. Und wie geschickt sie das Gespräch immer wieder auf das Thema familiäre Herkunft lenkte, nur um mit den Reitstunden und Skiurlauben prahlen zu können, die sie in ihrer privilegierten Kindheit und Jugend genossen hatte.
Louis, der sich nach dem Dinner mit einer Tasse Kaffee auf die Couch zurückgezogen hatte, beobachtete die anderen, ohne sich einzumischen. Bis Lizzy sich zu ihm umdrehte und fragte: „Und Sie, Louis? Wollen Sie uns nicht auch von ihrer großartigen Familie und Ihren fantastischen Urlauben erzählen? Ich meine, da Sie nun schon alles über unsere Campingwochenenden wissen …“
„Die wunderschön waren“, warf Rose verträumt ein, eng an Nicholas geschmiegt, der sich gerade eine ihrer perlblonden Locken um den Finger wickelte.
„Oh, Louis wurde von allen in der Clique beneidet.“ Jessica hatte ihre Sandalen abgestreift und ihre langen Beine anmutig über die Sessellehne drapiert.
„Heißt das, Ihre Ferien waren noch spektakulärer als die Safaris und Segeltörns, von denen Jessica erzählt hat?“
Louis streifte sie mit einem amüsierten Blick. „Es kommt nicht darauf an, wo man seinen Urlaub verbringt, sondern mit wem. Glauben Sie mir, ich habe mich noch nie so gelangweilt wie damals auf dieser Luxusjacht in der Karibik, trotz türkisblauen Wassers und schneeweißen Strandes.“
Lizzy glaubte ihm kein Wort.
Sollte sie sich dieses endlose Gerede über ein Luxusleben, das sich nur die Superreichen leisten konnten, weiterhin anhören? Nein. Wollte sie sich noch länger unter die Nase reiben lassen, dass sie und ihre Familie leider nicht zu den Paradiesvögeln gehörten, die ihr Leben in einem goldenen Käfig verbrachten? Nein, ganz sicher nicht. Sie gähnte herzhaft und stand auf.
„Wollen Sie etwa schon schlafen gehen?“, erkundigte sich Louis.
Blitzschnell war Jessica auf den Beinen. „Die Ärmste ist sicher todmüde nach ihren Eskapaden im Schnee. Bleib sitzen, Rose, ich begleite Lizzy nach oben. Sie hat das Blaue Zimmer, richtig? Ich wollte sowieso etwas holen.“
Wer’s glaubt, wird selig, dachte Lizzy. Ihr Misstrauen war berechtigt, wie sich herausstellte. Kaum waren sie außer Hörweite der anderen, war Jessicas falsche
Weitere Kostenlose Bücher