Ich leg dir die Welt zu Fuessen
männlich-herbe Duft seines Aftershaves in die Nase. Verwirrt wich sie einen Schritt zurück.
Die Tür schwang auf, und sie betraten die riesige Halle, die Lizzy wie ein Relikt aus grauer Vorzeit erschien. Crossfeld House war von Generation zu Generation vererbt worden, bis die Instandhaltung zu teuer wurde. Sein Glanz war mit der Zeit verblasst wie der einer vornehmen alten Dame, der niemand mehr den nötigen Respekt entgegenbrachte.
Soweit Lizzy sehen konnte, befand sich das Haus in einem erbarmungswürdigen Zustand. Diverse Arbeiten waren begonnen, aber nicht zu Ende geführt worden, helle Flecken an den zerschlissenen Tapeten zeugten von abgehängten Bildern, die hohen Decken wiesen Stockflecken auf. Und doch war die Pracht vergangener Zeiten noch spürbar.
„Genießen Sie den Anblick, solange es ihn noch gibt“, meinte Louis trocken. „Die Verkabelung ist eine Katastrophe, und die Rohrleitungen sind vorsintflutlich. Wenn wir das angehen, bleibt hier kein Stein auf dem anderen.“
„Da haben Sie sich einiges vorgenommen“, entgegnete Lizzy skeptisch. „Haben Sie überhaupt genug Zeit für dieses Projekt?“
„Schon mal etwas davon gehört, Aufträge an Fachfirmen zu vergeben?“
„Sie leben wirklich in einer anderen Welt.“
„Daher mein Misstrauen allen gegenüber, die sich durch die Hintertür einschleichen wollen.“
„Die geldgierigen Frauen, verstehe.“ Endlich fühlte sie sich wieder auf sicherem Terrain, nachdem sein bewundernder Blick sie doch ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. „Wo ist Rose?“
„Sicher und wohlbehalten bei Nicholas und seinen Schwestern im Wohnzimmer“, verkündete er mit spöttischem Lächeln.
Lizzy kam sich irgendwie albern vor, als sie hinter ihm hertrabte. Offenbar hatte niemand vor, Rose an die Hofhunde zu verfüttern. Louis hatte ganz recht. Es war tatsächlich vermessen von ihr, sich als ungebetene Beschützerin ihrer Schwester aufzuspielen.
Als sie das Wohnzimmer betraten, hockte Rose keineswegs verschüchtert in der Ecke. In Leggings und einem grauen Jersey-Shirt, das ihre tolle Figur dezent zur Geltung brachte, saß sie auf dem Sofa, nippte entspannt an einem Glas Wein und sah wie immer hinreißend aus.
„Lizzy!“ Freudestrahlend stürzte sie auf ihre Schwester zu, blieb dann kurz vor ihr stehen und fasste sie an den Schultern. „Du bist ja klatschnass!“
„Kann passieren, wenn man im Schnee stecken bleibt.“
„Danke, dass du sie gerettet hast, Louis.“
„Er hat mich nicht gerettet, er hat mich nur abgeholt. Ich hätte es zur Not auch allein geschafft.“ Als Rose missbilligend die Stirn runzelte, setzte Lizzy widerstrebend hinzu: „Trotzdem danke.“
„Und wo haben Sie Ihr Motorrad gelassen?“ Die Frage kam von Jessica, die sich nun ebenfalls erhob, ihr langes glattes Blondhaar gekonnt nach hinten warf und den Gast unverhohlen musterte. „Sie sehen aus wie aus dem Sumpf gezogen“, sagte sie scheinbar mitfühlend, doch ihre hellblauen Augen waren kalt wie Eis. „Sie sollten ein Bad nehmen. Obwohl ich nicht weiß, was Sie hinterher anziehen könnten, so klein und dünn, wie Sie sind …“
„Das Gute kommt immer in kleinen Portionen“, versuchte Nicholas die Situation mit Humor zu retten. „Außer bei Rose.“
„Soll das heißen, du findest mich fett?“, erwiderte Rose mit gespielter Empörung und drehte sich lachend zu ihm um. Was Lizzy erneut vor Augen führte, wie überflüssig ihre waghalsige Rettungsaktion war. Rose war sehr wohl in der Lage, sich in ihrer ruhigen, unspektakulären Art zu behaupten, sogar gegen Jessica und Eloise.
Während sie selbst wie ein begossener Pudel dastand, den Teppich volltropfte und sich besorgt fragte, wie sie die Reparatur ihrer Maschine bezahlen sollte.
„Welches Zimmer kann sie haben, Nicholas? Manche sind nämlich wirklich grauenhaft“, erklärte Rose mit einem scheuen Seitenblick auf Louis, der zu Lizzys Erstaunen sofort die Initiative ergriff.
„Kommen Sie, ich führe Sie hin.“
„Nicht doch, Louis!“ Jessica eilte herbei und stellte sich direkt neben Lizzy, der schmerzlich bewusst war, welch jämmerlichen Anblick sie neben der langbeinigen Blondine im eleganten seidenen Hausanzug bieten musste. „Das arme Ding will dir sicher nicht noch mehr zur Last fallen.“
„Das arme Ding“, erwiderte Louis trocken, „kann für sich selbst sprechen, Jessica. Und es war zwar leichtsinnig von dem armen Ding, bei diesem Wetter aufs Motorrad zu steigen, aber sehr viel
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