Ich leg dir die Welt zu Fuessen
„Wir haben nicht viel gemeinsam, aber ich fühle mich für ihn verantwortlich. Ich habe ein schärferes Auge für Betrügerinnen als er.“
In diesem Moment erreichten sie Crossfeld House, das im blassen Mondschein majestätisch vor ihnen aufragte. Erst das grelle Tageslicht würde seine beklagenswerten Mängel wieder erbarmungslos zum Vorschein bringen. Ringsum erstreckte sich das hügelige Grün des Golfparcours wie eine dunkle, zu Eis erstarrte Wellenlandschaft.
Louis kannte sich im Immobiliengeschäft aus, obwohl es nur eine untergeordnete Sparte seines weitverzweigten Unternehmens darstellte. Trotz seines ansehnlichen Erbes hatte er es nicht versäumt, sich selbst einen Namen in der Finanzwelt zu machen. Inzwischen konnte er sich aussuchen, wo er sein Geld investierte. Was nicht hieß, dass er jemals unkluge Investitionen tätigte.
„Eindrucksvoller Bau“, bemerkte er, während er das Motorrad elegant zum Stehen brachte.
„Ja, allerdings.“ Lizzy wusste, dass sie ihren unerwünschten Begleiter früher wiedersehen würde, als ihr lieb war. Um die zarte Romanze zwischen Rose und Nicholas zu fördern, hatte jene ihm so sehr verhasste Mrs Sharp nämlich einen festlichen Empfang in der Stadthalle organisiert, zu der die gesamte Lokalprominenz eingeladen war. Sogar Nicholas’ Schwestern würden anreisen. Und diese Mrs Sharp war, wie Louis bald genug herausfinden würde, niemand anderes als Lizzys Mutter.
Lizzy graute vor diesem Abend. Ihre Mutter war zwar keine geldgierige Betrügerin, aber doch sehr angetan von der Vorstellung, Rose mit einem gut situierten Mann zu verheiraten. Ein Glück, das sie, wie sie freimütig herumerzählte, jeder ihrer fünf Töchter wünschte. Sollte Louis davon Wind bekommen, würde das eine Menge unangenehmer Fragen aufwerfen.
Du meine Güte, da kam sie extra aus London in ihren Heimatort, um den sagenhaften Nicholas kennenzulernen, von dem ihre Schwester ihr ständig vorschwärmte, und wer musste ihr über den Weg laufen? Ein eins neunzig großer Racheengel, der sich berufen fühlte, seinen naiven Freund aus den Fängen einer nicht standesgemäßen Frau zu retten.
Und der immer noch nicht ahnte, wen er vor sich hatte, wenn er es auch bald genug erfahren würde. Spätestens, wenn er jemandem von dem unbekannten Motorradfahrer berichtete, der ihn vor den Gefahren des schottischen Winters gerettet hatte. Schließlich hatte sie allen erzählt, wie sehr sie sich darauf freute, wieder auf ihrer Maschine durch die Highlands zu kurven.
„Haben Sie es noch weit bis nach Hause?“
Sie waren beide abgestiegen, und wieder bekam Lizzy weiche Knie, als sie aus der sicheren Deckung ihres Visiers heraus das schöne, markante Gesicht ihres Gegenübers betrachtete. Diesmal ließen ihr Kampfgeist und ihre Schlagfertigkeit sie jedoch im Stich. Resigniert öffnete sie den Verschluss ihres Helms.
„Oh, Sie wollen Ihre Identität doch noch lüften?“, fragte Louis spöttisch. „Eine weise Entscheidung. Keine Sorge, ich verrate Ihren Eltern schon nicht, dass Sie …“ Der Anblick der schwarzen Lockenpracht, die unter dem abgezogenen Helm hervorquoll, ließ ihn verstummen.
Er hatte einen Halbstarken erwartet, doch vor ihm stand eine junge Frau, die ihn aus dunklen Augen feindselig anblitzte. Sie hatte ein zartes, eigenwilliges Gesicht, volle Lippen, die sie in diesem Moment missbilligend geschürzt hatte, und die geschmeidige Figur einer Tänzerin.
„Sie sind gar kein Junge“, stellte er verblüfft fest.
„Nein.“
„Sie sind ein Mädchen auf einem Motorrad.“
„Ja. Zufällig liebe ich Motorräder.“
„Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“
„Warum? Hätte das etwas geändert?“ Ein eisiger Windstoß fegte über sie hinweg und ließ sie frösteln. „Außerdem fand ich es sehr interessant, was Sie mir über Ihren Freund erzählt haben.“
Louis fragte sich flüchtig, ob sie am Ende selbst Nicholas’ Angebetete war, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Nicholas hatte von einer bildschönen, sanftmütigen Blondine gesprochen. Eine Beschreibung, die auf diese Frau wohl kaum zutraf.
„Sie kennen seine Freundin?“
„Allerdings. Und Sie sind der arroganteste, überheblichste, unausstehlichste Mann, der mir je begegnet ist.“ Ihre Mutter hätte ihr den Hals umgedreht, wenn sie das gehört hätte. Louis Jumeau, dessen legendärer Ruf als märchenhaft reicher Mann natürlich längst bis zu ihr vorgedrungen war, sollte ihrem aufwendig arrangierten Fest neben Nicholas
Weitere Kostenlose Bücher