Ich leg dir die Welt zu Fuessen
nicht liebte. Bis er zufällig herausfand, dass er einer Betrügerin auf den Leim gegangen war.
Nicht zu vergessen die Sache mit Giselle, seiner jüngeren Schwester, die um ein Haar einen Erbschleicher zu ihrem Ehemann gemacht hätte. Noch dazu einen, der bis dahin als enger Freund der Familie gegolten hatte.
Oh, ja. Louis wusste, wovon er sprach. Er hatte keine Lust, sich irgendwelches Gefasel über Liebe und Romantik anzuhören. Im Gegensatz zu Nicholas, der sehr viel leichtgläubiger war als er.
„Wie kommen Sie zu der Behauptung, sie sei nur hinter seinem Geld her?“ Lizzys Puls war sprunghaft angestiegen.
„Ich bitte Sie. Eine alternde Schauspielerin, die ihre Töchter an reiche Männer verschachern will. Welches Klischee!“, meinte er. „Sie kennen die Sharps?“
„Hier kennt jeder jeden. Hat Nicholas … ich meine, hat Mr Talbot Ihnen das erzählt?“
„Nein, aber ich kann sehr gut zwischen den Zeilen lesen.“
„Und Vorurteile fällen können Sie auch gut“, versetzte Lizzy zornig. „Sie kennen die Familie doch gar nicht!“ Zum Glück kamen jetzt die ersten Ausläufer der Stadt in Sicht. Da Landbesitz in dieser Gegend kein Luxus, sondern die Regel war, lagen die Höfe oft weit voneinander entfernt, doch das Leben in der Kleinstadt war von reger Geselligkeit geprägt. Jenseits des Ortes lag still und dunkel der See. Zur Linken, auf einer Bergkuppe, thronte Crossfeld House.
Lizzy kannte das alte Herrenhaus nicht anders als in halb verfallenem Zustand, obwohl es im Laufe der Jahre diverse halbherzige Versuche gegeben hatte, es zu neuem Leben zu erwecken. Die jetzigen Besitzer waren reiche Geschäftsleute aus Glasgow. Passionierte Golfspieler, die Crossfeld House aus einer Laune heraus erworben, das Projekt aber wegen unerwartet hoher Restaurierungskosten auf Eis gelegt hatten. So war das Gebäude wieder in seinen Dornröschenschlaf versunken, bis sich vor drei Monaten überraschend ein neuer Kaufinteressent gefunden hatte.
„Die Nächste links“, sagte sie. „Und fahren Sie langsam, die Straße ist in keinem guten Zustand.“
„Wohnen Sie weit von hier entfernt?“
„Machen Sie sich um mich keine Gedanken. Ich finde schon allein nach Hause.“
Sollte man annehmen, wenn ein Junge auf einer Maschine herumrast, die doppelt so groß ist wie er, dachte Louis. Zum ersten Mal, seit er auf dem Motorrad saß, ließ er die Landschaft auf sich wirken. Es gab zwei Arten von Stille – eine angenehm friedvolle und eine, die von purer Einsamkeit herrührte. Hier war eindeutig Letzteres der Fall.
Er persönlich war nicht scharf auf einen längeren Aufenthalt in einer Stadt, in der Handy-Empfang reine Glückssache war. Aber er war sicher, dass es genug Leute gab, die sich hier nur allzu gern vom hektischen Großstadtalltag erholen würden. Und auch wenn er selbst kein großes Interesse am Golfspielen hatte, da er flottere Sportarten bevorzugte, wusste er doch, dass andere ganz versessen darauf waren. Crossfeld House barg also durchaus das Potenzial, sich zu einer Goldgrube zu entwickeln.
Dieser Umstand war vermutlich auch der alternden Schauspielerin nicht entgangen. Nur deshalb hatte sie eine ihrer Töchter auf den armen Nicholas angesetzt. Ob sie wusste, dass Nicholas gar nicht der Investor war?
Ein, zwei Dinge wollte Louis gern noch klären, bevor er seinen unwilligen Beifahrer mit der Nachricht von seiner Ankunft in die Stadt entließ. „Was halten die Leute im Ort eigentlich von dem anstehenden Verkauf des Herrenhauses?“
„Sie würden es begrüßen, wenn es endlich restauriert werden würde“, entgegnete Lizzy trocken. „Es ist schon so lange ein Schandfleck. Was nicht heißt, dass es diesmal gut gehen wird. Nur weil jemand Geld hat, muss er noch lange nicht in der Lage sein, ein erfolgreiches Projekt auf die Beine zu stellen.“
„Jemand wie Nicholas, meinen Sie? Nur zu Ihrer Information, Nicholas ist nicht der Käufer. Obwohl er natürlich wohlhabend genug ist, um hier als gute Partie zu gelten. Aber er ist nur der Gutachter, der sicherstellen soll, dass das Haus nicht zusammenbricht, sobald der letzte Scheck unterzeichnet ist.“
„Und wer sind Sie?“ Lizzy hatte sich so darauf konzentriert, ihn zu hassen, dass sie noch gar nicht auf die Idee gekommen war, ihn nach seinem Namen zu fragen.
„Ich bin Louis Jumeau. Der Mann, der dieses kleine Abenteuer finanziert.“
Lizzys Finger verkrampften sich.
„Nicholas ist ein enger Freund von mir“, setzte Louis freundlich hinzu.
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