Ich lege Rosen auf mein Grab
dieselbe schlimme Vorstellung: Der Mugalle, tricky wie er ist, schüttet mir ‘n Betäubungsmittel ins Glas, zieht sich meine Sachen an, nimmt sich meine Papiere, nutzt seine Ähnlichkeit mit mir und verschwindet als Jossa, während ich als Mugalle den Rest seiner Strafe absitzen muß – zwei Jahre immerhin.»
«Trösten Sie sich: Das hatte ich auch des öfteren, die Wahnsinnsangst, mal verwechselt zu werden und dann auf Jahre nicht mehr rauszukommen, womöglich lebenslänglich eingesperrt zu bleiben. Mein Freund Hillermeier, einer unsrer größten Psychologen, der hat mir das mal beschrieben als drohende Ich-Diffusion, als unsere permanente Angst, uns sozusagen selber zu verlieren. Aber seien Sie ganz beruhigt, mein lieber Jossa: Sie sind nicht mehr im Knast, Sie stehen hier mit mir aufm Marktplatz und reden darüber!»
«Gott sei Dank, ja…!»
«Los, dalli, runter vom Bett und auf n Flur raus!»
Drei Männer vom O+S-Kommando stürmten in die Zelle, scheuchten ihn hinaus und machten sich über Mugalles Kofferradio her, gaben sich die größte Mühe, es völlig zu zerlegen.
Jossa, eben noch mit Lachmund im Gespräch vertieft, hatte es schwer, sich wieder einzuklinken, sah sich verloren auf einer endlosen Schneefläche stehen. Wo war er? Wer war er? War der Marktplatz das Reale und der Knast nur Traum – oder war es umgekehrt? Die Frage nahm ihm den Atem, ließ ihn taumeln. Er preßte sich gegen die offenstehende Tür, sah aus wie einer, den sie bei einer Razzia zum Abtasten an die Wand gestellt hatten, fühlte sich in einem schwarzen Strudel versinken, aus dem wahren Leben herausgerissen und in einen Science-fiction-Streifen hineinkatapultiert, raste an feurigen Nebeln und roten Überriesen vorbei.
«Heh, Mugalle, ist dir nicht gut?»
Der sanfte Balduin hatte ihn gepackt und schüttelte ihn. «Soll ich ‘n Sani holen?»
«Nein, nein…» Jossa starrte ihn an. «Was is’n los?»
«Die Radioapparate alle…! Werden alle auseinandergenommen, weil draußen die Post, die mit ihrem Peilsender, Funksignale aufgefangen hat, aus’m Bau hier. Soll einer was rausgefunkt haben, an seine Frau oder seine Truppe. Doch ‘n UKW-Teil durch die Kontrollen durch und dann umgebaut, weißte doch!»
Jossa nickte, spürte langsam wieder Boden unter den Füßen, obwohl die Stimme des anderen für ihn noch immer so klang, als käme sie weither aus einem schwachen Lautsprecher.
Du bist hier im Knast! Du bist Mugalle und nicht Jossa, als Mugalle hier und nicht als Jossa! Du bist hier eingesperrt, die haben dich reingelegt!
Du bist völlig gesund, völlig in Ordnung! Du hast keine Macke!
Seine Selbstbeschwörung wirkte schließlich, er akzeptierte wieder alles, wie es war. Wenn er noch eine Chance haben wollte, mußte er ruhig und gelassen bleiben; drehte er durch, war er gänzlich verloren: für immer Mugalle.
Der Ordnungsdienst zog weiter, andere Knackis zu beglücken, und er hatte seine Zelle wieder für sich. Es war kurz vor 17 Uhr, und sie waren alle eingeschlossen, damit die Bediensteten Gelegenheit hatten, sie durchzuzählen.
Um 18 Uhr wurden dann ihre Zellentüren wieder geöffnet, und sie konnten sich ihren Gruppentätigkeiten widmen, vor allem aber fernsehen, wenn auch nur bis zehn vor zehn, weil da der letzte Einschluß angesagt war. Und ab 23 Uhr hieß dann für alle: Licht aus!
Der sanfte Balduin hatte ihm das Brammer Tageblatt von gestern ausgeliehen, und Jossa machte sich nun, auf seinem Bett liegend, an die Lektüre.
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«Wir sind hier im Knast und nicht im Drei-Sterne-Hotel.»
Neues aus der JVA Bad Brammermoor/Jens-Otto Jossa zu Gast bei einem «Knacki»…
Jossa fuhr hoch und schaffte es nicht, dies alles zu verstehen, versuchte, Mugalles Sätze zu lesen, doch der Text blieb minutenlang für ihn nichts weiter als eine beliebige Anhäufung ihm gänzlich unbekannter Buchstaben, sagte ihm ebensowenig wie der Ausriß aus einer chinesischen Zeitung.
Mit allem hätte er gerechnet, nur mit einem solchen Schachzug nicht, mit soviel Chuzpe. War also nicht ins Ausland geflüchtet, dieser Mugalle, sondern in Bramme geblieben, als Jossa, als
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