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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Jossa getarnt, sozusagen in Jossa versteckt. Warum? Wozu? Wie lange?
    Als sich Jossa wieder eingekriegt hatte, da fand er Mugalles Schreibe faszinierend gut, täuschend ähnlich seiner eigenen; was für ein Mann! Welche Wahnsinnsidee! Ein Gefühl schoß in ihm auf, das mehr war als Bewunderung, mehr als Verehrung. Umarmen wollte er den anderen, an sich pressen, und merkte schnell, daß er sich in Mugalle nur selber liebte. Das war sein besseres Ich, sein Wunschtraum von sich selber, er, Jossa, weiterentwickelt: gescheiter, geschickter und ein Filou, ein Abenteurer, ein Mensch mit einer irren Biographie und kein kleiner Reporter, der über geschleifte Pissoirs der Gründerzeit zu lamentieren hatte.
    Geht doch dieser Mugalle hin zum Brammer Tageblatt, als Jossa, und schiebt der Heike Hunholz seinen Knastbericht hinüber! Hat die Kaltblütigkeit, die Nerven dazu; phantastisch! Er selber hätte sich in solchen Situationen vor Angst in die Hosen gemacht, herumgestottert und mit seinen roten Flecken auf der Haut alles verdorben, hätte sich wie Woody Allen angestellt, im «Unglücksraben» (der Banküberfall und Woodys Zettel mit dem Satz «… sonst richte ich meine Waffe auf Sie!»). Als er sich beim Spiegel vorgestellt hatte, war er nicht besser gewesen als der dümmste Redakteur der dümmsten Schülerzeitung.
    Natürlich war er höflich rausgeschmissen worden, spielte aber jetzt gedanklich nach, wie Mugalle in seiner Rolle als Jens-Otto Jossa dort Furore gemacht hätte, souverän, einfallsreich und charismatisch die Schlacht gewonnen hätte, Redakteur geworden wäre. Wer sich die Welt mit einem Donnerschlag erobern will…!
    Doch die Sache kippte sofort wieder. Aus Weiß wurde schlagartig wieder Schwarz. Mugalle, dieses Schwein das! Alles nur auf meine Kosten! Läßt mich hier verrecken, um draußen den großen Macker zu spielen! Saugt mich aus wie ein Vampir, nimmt mir mehr als mein Blut, nimmt mir mein Hirn und meine Seele.
    Das setzte ein, als Jossa voll begriffen hatte, was dieser Knast-Artikel für ihn bedeutete: Wie ein Urteil war es, ein Todesurteil für ihn als Jens-Otto Jossa, denn nun war es sozusagen offiziell und amtlich, daß es nur einen Jossa gab, den in Freiheit draußen, daß alle anderen, die nun behaupteten, ihrerseits Jossa zu sein, nichts als Spinner waren. Zeitungen, das wußte er, schafften das, was die Gelehrten die normative Kraft des Faktischen nannten, gaben den Menschen die Gewißheit, die sie brauchten, waren gleichsam Dokumente, Urkunden, beglaubigt und gesiegelt. Mochten hier im Knast bislang doch noch einige seiner «Kollegen» und Wächter ein wenig an seinem Mugalle-Sein gezweifelt haben («… vielleicht ist das doch der Jossa, und wir sind reingefallen auf Mugalle…?»), jetzt war es aus damit; das Brammer Tageblatt als Institution setzte allem Zweifel ein Ende.
    Damit mußt du nun leben, sagte sich Jossa, froh, daß er nicht schon wieder ausgerastet war, langsam lernte, mit sich als Mugalle umzugehen. Immer kühlen Kopf und warme Füße…! Seine Großmutter aus Königs Wusterhausen.
    Dieses Scheiß -Brammer Tageblatt! Er zerriß es und spülte die Schnipsel in seinem Klo hinunter.
    Ein Fetzen war neben die Kloschüssel gefallen. Er bückte sich, ihn aufzuheben, bekam den Gestank voll in die Nase, hatte mit Brechreiz zu kämpfen.
    Dieser Schwachsinn bei den Überschriften!
    Busfahrer im Buddelkasten gelandet…
    Verband der Pudelfreunde hält Schüler-Kampagne gegen die Pudelmütze für wenig witzig…
    In Abwesenheit des Nachbarn stundenlang auf dessen Rechnung mit der Freundin in Sydney (Australien) telefoniert…
    Das Telefon! Das war seine Rettung! Idiot er, warum war er denn darauf nicht schon lange gekommen!? Er griff sich die Hausordnung und las nach kurzer Suche:
    «Im Rahmen der geltenden Regelung kann Ihnen gestattet werden, grundsätzlich auf eigene Kosten Telefonate zu führen oder Telegramme aufzugeben, sofern hierfür eine dringende Notwendigkeit gegeben ist. Sie können sich zwecks Genehmigung für ein Telefonat an den zuständigen Gruppenbetreuer wenden.»
    Bis zum abendlichen Aufschluß hatte er Zeit genug, sich zu überlegen, wer wohl am ehesten und am energischsten Alarm schlagen würde, wenn er von seiner Inhaftierung erfuhr. Hin zu einem Anwalt, hin zur Polizei, alle Hebel in Bewegung gesetzt, die Presse, die Kollegen mobilisiert, Leute nach Bad Brammermoor geschafft, an deren Aussage, er sei Jossa, keiner mehr zu zweifeln vermochte. Das war doch die einfachste

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