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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Anstaltsbeirat sitzt schon auf der Palme oben. Mal sehen, ob das der Jossa auch im Brammer Tageblatt schreibt. Nicht du, der echte!» Lachend kehrte der sanfte Balduin zu seiner Arbeit zurück.
    Jossa schluckte und stach sich derart in den Finger, daß sein Blut die Uniform, die er gerade auf den Knien liegen hatte und die für einen zusätzlichen Sargträger auf dem städtischen Matthäi-Friedhof gedacht war, ein wenig beschmutzte.
    Jossa steckte den Finger in den Mund, um das Blut abzulutschen.
    Gott, das hier konnte doch nicht wahr sein, war doch alles nur ein böser Traum. Und plötzlich wußte er auch, wie alles war, malte sich das alles aus, schrieb es später in der Zelle nieder…

 
    Variante 1
     
     
     
    Bramme, Marktplatz, am sogenannten Unglücksstein, wo 1784 die Gräfin Sophie von einem herabstürzenden Ziegelstein erschlagen worden war. Hier kreuzten sich an diesem schönen Sommermorgen die Wege der Herren Lachmund und Jossa, ersterer auf einem kurzen Sprung ins Rathaus, wo ihn Altbürgermeister Lankenau zum Interview empfangen wollte («Worüber haben Sie in Ihrer langen Amtszeit denn am meisten lachen müssen?»), Letztgenannter, wie immer auf seinen Streifzügen durch Bramme, bemüht, Kontakte zu möglichst vielen der Autochthonen zu knüpfen, einsam, fremd und neu, wie er war, aus Berlin, Bonn, Erlangen und Hannover geflohen, voller Hoffnung, hier und endlich Fuß zu fassen, anzuwachsen. Lachmund war eines seiner ersten « Opfer» gewesen, hatte mit seinen HÖV-Studenten ein Projekt zum Thema «Humor im Amt» in Angriff genommen und damit bundesweit für einigen Wirbel gesorgt, zumal nach Jossas erstem Brammer Tageblatt- Artikel und einem dpa-Bericht dazu ein Berliner Psychologe, Professor Peter Heinrich, auf den Plan getreten war und behauptet hatte, daß dies auf seinem Mist gewachsen sei und der liebe HÖV-Kollege alles nur ganz schamlos abgekupfert habe.
    «Humor ist eins der Elemente des Genies…!» lachte Lachmund. «Wie schon der Herr Minister Goethe sagte… Aber welches Genie wird schon Beamter?»
    «Sind nicht Hochschullehrer auch Beamte…?» fragte Jossa. «Mit dem Recht, genial-humorvoll aufeinander einzuschlagen: Heinrich auf Lachmund, Lachmund auf Heinrich…»
    Lachmund hatte im Laufe seines Projekts sämtliche Humor-Definitionen und weise Worte über Humoristen gespeichert. «Siehe Tucholsky: ‹Humoristen haben aufeinander stets eine mächtige Wut›…!»
    «Sehr schön, ja. Habt ihr denn schon wieder ‘n paar Ergebnisse für mich?»
    «Nein, nur die große These, daß Humor Herrschaft gefährdet, in der Bürokratie die Rituale lächerlich macht, in Satireform sogar ‹staatszersetzend› wirken könne…»
    Man begrüßte sich also und fragte, was es denn wohl Neues gäbe?
    Lachmund wußte noch von einer hübschen Sache zu berichten, einer HÖV-internen Preisverleihung, wo die Dozenten einen Wanderpokal, den Goldenen Salzstreuer, für die witzigste Bemerkung oder Stilblüte eines Semesters vergaben («…das nötige Salz in der ansonsten faden Suppe unserer Le[h/e]re»).
    «Diesmal ist es an einen meiner Studenten gefallen… Bekomme ich von den Ärzten des Kreiskrankenhauses einen Stapel Fragebögen zugeschickt, Wissen über Aids bei jungen Männern hier, und soll die im Hörsaal verteilen. Ich komme rein und sage: ‹Meine Herren, das Krankenhaus hier hat eine herzliche Bitte an Sie… › Ruft ein Student: ‹Ja, ich weiß, die wollen wieder ‘ne Samenspende von uns!› Und das war dann auch der erste Preis.»
    Jossa fand es ebenso komisch wie Lachmund und notierte sich den Namen des Studenten und Preisträgers, wollte was draus machen, mit einem Fotografen hin und dann den Jungen interviewen.
    «Ich muß zum Brammer Tageblatt rüber», Jossa zeigte zur Nordseite des Platzes, «meinen Bericht abliefern über meine Knasterlebnisse gestern. Drei Stunden in der Zelle von Martin Mugalle…!»
    Lachmund horchte auf und lächelte. «Sehr schön… Meine eigene Knasterfahrung kennen Sie ja…» Spielte damit auf seine Strafversetzung an, war wegen einer ebenso tragischen wie delikaten Affäre mit einer Studentin, seiner «Klette», von der HÖV ins Justizministerium «verschubt und umgeschlossen» worden und hatte dort die Oberaufsicht über alle umliegenden Knäste übertragen bekommen.
    «Und? Wie ist es Ihnen so ergangen?» fragte er Jossa.
    «So in der JVA ganz gut. Bloß hinterher: Ich hab die halbe Nacht nicht schlafen können. Immer wieder derselbe schlimme Traum,

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