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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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hoffte, daß es drüben in der Schneiderei einen Menschen gab, der bei seinem Anblick lauthals ausrufen würde: «Mann, das is doch nich Mugalle, wer is’n das…!?»
    Doch nichts geschah, denn hinter den Maschinen saßen ausschließlich Türken, und die nähten mit einer Hingabe, die Jossa bei seinen Reportagen ansonsten nur bei Hobbybastlern entdeckt hatte, Modellbau-Freaks, kümmerten sich einen Dreck um ihn, als er jetzt dem Meister zugeführt wurde. «Hier haste unsern Bankier aus’m Bunker zurück!»
    Der Meister hieß Stehding, sah so vergnatzt aus, daß er sicher kaum mal einen stehen hatte, wie Jossa konstatierte, war ein alter Zwischenmeister, den die moderne Massenkonfektion, die Importe aus den Billigländern um seinen Kleinstbetrieb gebracht hatten, und der nun hier im Knast sein Brot verdienen mußte. Saß da über seinen Tabellen, hatte keinen Blick für Jossa übrig, konnte sich nur zu einem Schlenkern seiner rechten Hand aufraffen: «Knöpfe annähen!»
    Das machte Jossa dann auch, hatte die Uniformen der Brammer Kommunalbediensteten, von Feuerwehr bis Friedhof, von Müllabfuhr bis Straßenbahn, mit münzengleichen Knöpfen zu bestücken, mit goldnem Messingglanz zu zieren; tat das auch mit einem Geschick, das in etwa dem Mugalles entsprach, hätte sicher alles falsch festnähen können, um sich von seinem Doppelgänger abzuheben, glaubte jedoch, mit solchen Aktionen seine Lage im Augenblick nicht zu verbessern; ganz im Gegenteil.
    Er sah sich um, suchte sich zu orientieren, saß selber rechts vorne im großen Saal, ganz in der Ecke und unmittelbar neben dem Glaskasten des Meisters, konnte aber auch in den angrenzenden Zuschneideraum blicken, wo sich mehrere Knackis gerade bemühten, einen grau-schwarzen Stoffballen auszurollen, in Lagen übereinander zu legen und dann mit der Bahn zu bedecken, die das aufgezeichnete Schnittmuster enthielt. Als dies gelungen war, kam der sanfte Balduin, offenbar der offizielle Zuschneider hier, um mit seinem Stoßmesser die Bahnen vorlagegerecht zu durchtrennen. Gut machte er das.
    Das Rattern der Nähmaschinen ließ ihn an seine Kindheit denken, seine Großmutter, wie sie ihm Latzhosen nähte. Fast war es ein weihnachtliches Gefühl, was das auslöste, Nestwärme und Gemütlichkeit. Die Bügelanlage zischte wie ein Waffeleisen, der Knopflochautomat ließ ihn an Anja denken. Ihr Vater hatte ähnliche Maschinchen im Hobbykeller gehabt und ihn des öfteren daran spielen lassen. Vergessen, vorbei.
    Gab es draußen überhaupt noch eine Welt, war nicht alles versunken? Sie allein übriggeblieben, eine Insel, Atlantis diesmal umgekehrt? Unmöglich zu glauben, daß in dieser Sekunde Heike Hunholz gerade ihren Bericht über die Brammer Musischen Wochen zu formulieren begann, über die theaterspielenden Schüler am Albert-Schweitzer-Gymnasium; daß Bernie Billerbeck seine angeschnittenen Flanken und seine angetäuschten Elfer übte; daß Günther Buth zum wiederholten Male dem Stadtrat erklärte, die Abwässer seiner Fabriken könnte man bedenkenlos als Trinkwasser nehmen; daß Catzoa wieder mal durch Brammes Pinten streifte und Terroristen suchte. Unmöglich alles, gab es nicht. In der Welt existierte nichts, was er nicht sah.
    Der sanfte Balduin machte eine kleine Pause, setzte sich auf seinen Tisch. «Na, Mugalle, nur nicht den Faden verlieren…»
    «Du kennst mich doch schon länger: War ich eigentlich immer so komisch?»
    Der sanfte Balduin sah ihn prüfend an, und in diesem Moment verstand Jossa auch, warum er diesen Namen trug: Seiner Ähnlichkeit mit Louis de Funes wegen – «Balduin, der Geldschrankknacker».
    «Ja, seit du hier bist… Immer haste versucht, jeden Tag ‘n bißchen anders auszusehen und mal den einen nachgemacht, mal den anderen. Aber ist doch Quatsch, Mann, dein Trick!»
    «Wieso?»
    «Na, Mensch, so ‘n hohes Tier, um Haftverschonung zu bekommen, das biste doch noch immer nicht, mit deiner Mini-Bank da!»
    «Aber der Jossa, der hat mir doch so verdammt ähnlich gesehen, daß ich’s da ganz einfach mal probieren mußte.»
    «Und? Biste ja ganz schön auf die Schnauze gefallen!»
    «Kann man wohl sagen…»
    «Weißt du schon das Neueste?»
    «Nein, woher denn…?»
    «Zweeloo will uns alle die Thermoskannen wegnehmen…» Er zeigte auf seine, die hinten auf dem Fensterbrett stand.
    «Warum denn das?»
    «Weil wir da angeblich alle unser Rauschgift drin versteckt haben. Die S+O-Leute machen die bei der Durchsuchung immer kaputt, und der

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