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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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sind Sie doch gar nicht, Mugalle!»
    Genau die Worte, die für ihn die Rettung waren.
    War er leider erst darauf gekommen, als sein Eckzahn oben rechts zu puckern angefangen hatte. Ohne Brille doch beim Sehen etwas eingeschränkt, hatte er vorgestern morgen einen aufgeknackten Kern im Pflaumenmus vergessen.
    Kassau übergab ihn der Obhut der dort waltenden Kollegen, doch Jossa hatte noch im Erste-Hilfe-Raum zu warten: Nobby war erst an der Reihe. Er war nicht allein; Baldow, vor ihm in der Liste eingetragen, war auch schon zur Stelle.
    Sie redeten ein Weilchen über den Sinn und Unsinn von Tauberts Ausflug aufs Dach und glaubten beide nicht, daß ihm Entscheidendes gelänge, hatten vielmehr die Furcht, allesamt bestraft zu werden; Schluß mit dem, was Hafterleichterung hieß. Andererseits:
    Konnte man’s dem armen Taubert denn verübeln, daß er da ausgeflippt war? Sicher nicht. That’s life!
    Drinnen wurde heftig geschliffen, und hin und wieder hörten sie Nobbys Schmerzensschreie – nicht eben heldenhaft.
    «… ‘n paar Zähne gleich läßt er sich Überkronen. Mit Gold natürlich.»
    «Wie kriegt er denn das Geld dazu zusammen?»
    «Draußen hat er doch immer noch drei Mädchen laufen. Und außerdem wird ihm Buth auch ‘n bißchen was gegeben haben…»
    «Buth – wofür denn der?»
    «Weißte das denn nicht? Vor zwei Jahren hat er doch mit seinen Leuten bei Buth Streikbrecher gespielt, das heißt, den Arbeitern, die an den Werktoren alles verbarrikadiert hatten, derart was auf die Schnauze gegeben, daß die Arbeitswilligen alle durchkonnten. Leider hat er einen von den Gewerkschaftern dabei halb totgeschlagen; drum sitzt er ja auch hier.»
    Jossa nickte. Wollte man eine Stadt wie Bramme fest im Griff haben, brauchte man nicht nur die Intellektuellen (fürs Feinere, siehe Brammer Tageblatt), sondern auch die Schläger und die Kriminellen (fürs Gröbere eben), und so waren Nobby und er im Grunde Kollegen.
    Jossa fieberte immer mehr der Sekunde entgegen, wo der Zahnarzt sich endlich, von Sekunde zu Sekunde immer erstaunter, mit seinen Zähnen abgeben würde. «Das ist niemals das Gebiß, das zu Martin Mugalle gehört!» Und gegen einen Beweis von soviel Karat war auch ein Mann wie Zweeloo ohne Chance, zumal der Mann ein freier Mitarbeiter war, draußen seine gute Praxis hatte, und hier nur wegen einer dummen Sache seines Bruders wirkte, die innere Not der Leute aus dessen Tagebuch kannte und bei dem schlechten Image seines Standes einfach auch mal Gutes tun wollte: Seht her, auf hundert Beutelschneider gibt es immerhin einen Gerechten!
    Diesem Mann gegenüber hatte Jossa also volles Vertrauen; der war von keinem abhängig oder gekauft.
    Endlich konnte Nobby den Marterstuhl verlassen, zog maulend und spuckend von dannen.
    «Der nächste, bitte…!» Ganz wie draußen.
    Der Sani winkte Jossa in den Vorraum des Krankenreviers, wo alles kunstgerecht aufgebaut war, und er sah Dr. Rick im weißen Kittel vor sich stehen, klein und kugelrund, ein Pykniker von enormer Körperfülle, der es schwer hatte, sich zum Patientenmund hinunterzubücken, dabei asthmatisch jiemte und in allem einem Mönch glich, der zuviel soff und aß, aber durch und durch liebenswert war, eine Seele von Mensch.
    Jossa gab ihm die Hand, und Dr. Rick, schon beim Hände waschen, sagte, daß es ihn freue, ihm, dem berühmten Mugalle, persönlich ins Auge respektive in den Mund sehen zu dürfen, hätte er doch, ganz im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, mit Mugalles NordInvest eine Menge Geld gemacht, vor deren Konkurs, und müsse ihm dafür noch lange danken.
    Endlich, Jossa kehrte zu seinen Science-fiction-Bildern zurück, sah er das langersehnte Raumschiff zur Landung ansetzen, gekommen, ihn zur Erde heimkehren zu lassen.
    Er fiel in den Stuhl, eine Leihgabe des Deutschen Museums für Zahn- und Kieferheilkunde, bekam vom Sani, der hier die Assistentin spielte, ein schon leicht zerknülltes Lätzchen umgelegt und riß seinen Mund so weit und zackig auf, daß er sich selber wie eine hölzerne Puppe vorkam.
    Endlich war es soweit, und schnaufend wie ein Liebhaber beugte sich Herr Dr. Rick nach unten, kam mit seinem dicken Bauch fast auf Jossa zu liegen. Der fürchtete die Maulsperre, das Aushaken seiner Kinnlade, einen Krampf aller Muskeln am Kopf, so sehr mühte er sich um die totale Freilegung aller seiner Zähne, fletschte sie wie in kindlichem Spiel, wußte, daß dies der Augenblick war, wo sich alles entschied.
    Spiegel und Haken fuhren in

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