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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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sehr plausible Antwort auf seine eine große Frage zu finden: Wie ist das alles nur gekommen?

 
    Variante 2
     
     
     
    Brammer Meer, sogenannter Autobahnsee westlich von Bramme, beliebtes Naherholungsgebiet. Es war kurz nach 20 Uhr und trotz der Sommerzeit schon ziemlich dämmrig-düster, denn immer tiefer sank die Wolkendecke, peitschte Regen übers Land.
    Kein Grund für Werner Zweeloo, Volljurist, nach Dienstschluß in der JVA nicht zum Brammer Meer zu fahren und aufs Schwimmen zu verzichten. Und wenn er noch so fror und bibberte, es war allemal lustvoller als zu Hause im Eigenheim am Brammer Trappenkamp in Familie zu machen, selber ein Gefangener zu sein, nachdem er den Tag lang fast absolut über andere geherrscht hatte. Schlimm für ihn, nun wie der blödeste Knacki fragen zu müssen, ob er wohl noch ein wenig fernsehen dürfe oder sie, Frau und Kinder, was dagegen hätten, wenn er im Keller eine kleine Partie Billard spielte. Vom Schwimmen entspannt und apathisch gemacht, ließ sich das alles viel besser ertragen.
    Als er von der stark frequentierter Brammermoorer Heerstraße auf den Verbundstein-Weg abbog, der über viele Kilometer hin den weiten Mäandern des Bramme-Flusses folgte, hatte er das Gefühl, von einem flachen roten Wagen verfolgt zu werden, einem Porsche wohl. Er bremste unwillkürlich, wollte sehen, wie das andere Fahrzeug reagierte, denn immer auf der Hut zu sein, war oberstes Gebot für ihn. Hunderte von Knackis hielten sich, das wußte er, emotional nur über Wasser, indem sie Pläne schmiedeten, ihn nach ihrer Entlassung genußvoll-grausam zu eliminieren.
    Doch der Porsche fuhr geradeaus weiter, schien nur rein zufällig von der JVA an hinter ihm gewesen zu sein.
    Zweeloo erreichte den See an seiner nordwestlichen Ecke und parkte seinen blauen BMW direkt am Fuße des hölzernen Turmes, auf dem bei schönem Wetter die bronzebraunen Jünglinge des Wasserrettungsdienstes hockten. Doch verwaist war heute alles, öd und leer, und nur am Campingplatz drüben grillte der eine oder andere sein Hacksteak unterm Vordach oder schüttete billige Sangria in sich hinein.
    Zweeloo hatte seine Badehose schon auf der Diensttoilette untergezogen, brauchte also nur schnell aus Hemd und Hose zu schlüpfen, legte aber keine große Eile an den Tag, denn sehr verlockend sah das graue Eiswasser nun wahrlich nicht aus. Viel lieber wäre er im warmen Wagen geblieben, hätte die Sitze zurückgleiten lassen und mit einem der Mädchen gebumst, die da eben vom Joggen kamen und unter dem pitschnassen Shirt des TSV Bramme viel Köstliches erkennen ließen. Potenztest nannte er das, und er brauchte ihn, seit er dreiundfünfzig war, fast täglich, um das Gefühl der eigenen Unsterblichkeit in sich wachzuhalten, als Gegengewicht sozusagen, nötig, um mit der Angst vorm Altern und Sterben fertig zu werden.
    Kräftig stand sein Pint, als er sich entkleidet hatte, unter der geblümten Badehose, und er streichelte ihn dankbar und zart, stieß dann die Tür des Wagens auf und warf sich mit einem astreinen Kopfsprung ins graue, ungewisse Wasser, genoß den kurzen Flug und das anschließende Hineinstoßen in die zerplatzende Haut, wie er immer tiefer glitt und sich irgendwo im Schoß der Erde verlor, süchtig nach diesen orgasmusgleichen Sekunden. War bei den Fallschirmspringern gewesen und fand nun dieses Gefühl irgendwie vergleichbar-adäquat.
    Neu geboren kam er wieder hoch und kraulte unter Einsatz aller Kräfte auf den See hinaus, hinter sich ein ganzes Heer feindlicher Kampfschwimmer annehmend oder aber -zig Indianer vom Stamme der Komantschen. Old Shatterhand unschlagbar; ein Akt lustvollster Regression.
    Ein Schrei ließ ihn schlagartig ins Hier und Jetzt zurückkehren. Er verhielt und sah sich, hochsteigend wie ein Wasserballer vor dem Wurf, nach allen Seiten um.
    In fünfzig Metern Entfernung das blonde Haar einer jungen Frau.
    «Ein Krampf…! Helfen Sie mir, ich kann nicht mehr!»
    Zweeloo war zur Stelle, als sie zum zweitenmal nach oben kam, gerade noch, und schleppte sie im Profigriff ans Land.
    Auf dem Rücksitz seines Wagens rieb er sie mit seiner Decke trocken und massierte ihren Fuß. Wie sie denn zum Brammer Meer gekommen sei, und wo sie ihre Sachen habe? Mit dem Klapprad, und Pulli und Jeans lägen am Verbindungsgraben zur Bramme hin.
    Zweeloo holte alles und fand, aus den Taschen ihrer Jeans herausschauend, noch ein pinkfarben-weißes Stirnband mit eingesticktem Namen, CHANTAL, und das ließ ihn reflexhaft

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