Ich lege Rosen auf mein Grab
Sachen zu fälschen. Promotions- und Sterbeurkunden, Führerscheine und so was; ist irgendwie auch ‘ne mächtige Begabung, was das angeht: Gebrauchsgraphik und so… Bis er eines Tages aufgeflogen ist.»
«Aber weswegen sitzt er denn nun da aufm Dach und…?»
«Das ist ‘ne lange Geschichte…» Der sanfte Balduin goß sich von Jossas Tee ein und setzte sich zum Erzählen auf die Klobrille, wollte nicht zu Jossa aufs Bett, um die anderen nicht denken zu lassen, sie hätten was miteinander. «Also…»
Taubert hatte das BSH-Gesetz gelesen und beim Sozialamt neue Wäsche beantragt, worauf sein Gruppenleiter von der Sachbearbeiterin angerufen und gefragt worden war, ob er die Möglichkeit hätte, den Wahrheitsgehalt dieser Angaben nachzuprüfen. Und was hatte der getan? Sich von der Hauskammer Tauberts Wohnungsschlüssel geholt und bei ihm zu Hause nachgesehen.
«Ist das denn auf dem Wege der Amtshilfe nicht möglich?» fragte Jossa.
«Wohl nur, wenn er Taubert mitgenommen hätte, aber das sei wegen der Fluchtgefahr angeblich nicht möglich gewesen…»
«Na, der und flüchten…! Aber deswegen gleich solchen Aufstand…?»
«Den macht er doch vor allen Dingen, weil sie ihm erzählt haben, sein Gruppenleiter hätte nicht nur nach seinen Wäschevorräten gesehen, sondern seine Wohnung auch noch als Absteige benutzt. Mit seiner Freundin zu Hause bei Taubert kräftig gebumst!»
In dieser Sekunde steckte Zweeloo seinen schönen Kopf aus einer der Dachluken und erklärte feierlich im Namen seiner JVA, daß es in Tauberts Wohnung keineswegs «zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs» gekommen sei und der Gruppenleiter ja nichts weiter im Sinn gehabt habe, als Taubert zu helfen, das mit seinem Antrag beim Sozialamt schnellstmöglich über die Bühne zu ziehen.
«… und da er zwei Häuser weiter seine Mutter wohnen hat, und die ohnehin besuchen wollte, ist er gleich zu Ihnen mit ran…»
«Nach Artikel 13 Grundgesetz ist die Wohnung unverletzlich!» schrie Taubert.
«Er ist doch aber als Ihr Freund und in Ihrem Auftrage hingefahren!»
«Das ist ja nun wirklich eine infame Lüge!»
«Im Augenblick steht Aussage gegen Aussage!»
«Wir wissen doch alle, was das für ‘n Scheißkerl ist, der Neumann!»
«Okay, ich laß Sie in den B-Flügel verlegen, wo sich dann Kassau um Sie kümmern kann!»
«Ich komm nicht eher runter, als bis Sie Anzeige erstattet haben gegen Neumann!»
«Ich laß mich nicht erpressen, Taubert!»
«Und ich laß mir meine Grundrechte nicht nehmen, Herr Zweeloo, und wenn ich zehnmal ‘n Strafgefangener bin!»
Es war ein unheimlich aufregendes Stück, was sie da auf dem Dach ihres Knastes geboten bekamen, ohne Eintritt mitverfolgen durften: welch grandiose Freilichtbühne, welch mitreißende Spieler! Im Pennerlook ihr Taubert, saß auf einer Schornsteinfegerbohle und ließ die Beine baumeln, zitterte vor Höhenangst, war jedoch ein toller Kämpfer für die Knackirechte, so elend anzuschauen wie ein schwer Tbc-Kranker in einem alten Melodram; und zwei Meter unter ihm, Kopf und Oberkörper mühsam aus der schmalen Luke gepreßt, ihr eleganter Anstaltsleiter, ein Mann von Welt und im hellen Anzug jederzeit bereit, einer Einladung der Queen Folge zu leisten und an Bord der königlichen Yacht den Tee einzunehmen. Zweeloo als absoluter Herrscher dieser kleinen Welt quasi in der Gewalt eines hustenden Männleins, denn stürzte sich Taubert wirklich zu Tode und setzten die Parlamentarier einen Ausschuß in Marsch, sich die JVA Bad Brammermoor mal vorzunehmen, dann sah es um seine weitere Karriere nicht mehr eben rosig aus. Tauberts Sturz in die Tiefe wäre in gewisser Weise auch seiner gewesen.
Wer immer von den Knackis konnte, hing am Fenster, fasziniert von diesem Duell.
Nur einer hatte Besseres zu tun: Jens-Otto Jossa. Er ging auf Kassau zu und bat darum, durchgeschlossen zu werden: «Mein Zahnarzttermin!» Der gute Mann kam einmal die Woche in die Anstalt hinaus und war zu Jossas derzeit letzter Hoffnung aufgestiegen.
Warum, war klar. Jedermann wußte, daß in aller Welt immer wieder Leichen anhand der aufgefundenen Gebisse identifiziert werden konnten. Die Zahnärzte brauchten die fraglichen Gebißteile nur mit ihren Behandlungskarten zu vergleichen, und schon hatten sie’s.
Tagelang, nächtelang sah Jossa schon voraus, was hier bei ihm im Sani-Raum geschehen würde: Der Dr. med. dent, kommt und sieht ihm in den Mund, greift zur Karte Martin Mugalle, stutzt und ruft spontan: «Gott, das
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